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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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Binnensingel auch getan hatte, und da war er wieder, ihr bezaubernder Duft, und der ganze süße Schmerz von damals kehrte zurück, und auch das Hohelied der Liebe, die Oktavsprünge und Tonwiederholungen, mit denen Mozart seine Neunundzwanzigste Symphonie beginnt und wozu er, gerade einmal achtzehn Jahre alt, eine so wunderschöne Gegenstimme komponiert hat. Und wieder lehrte sie mich den Unterschied zwischen einem Kuss und einem Dauerbrenner, doch diesmal ging sie weiter als damals im Garten beim Schneeflockenbaum. Sie griff nach meinem Geschlecht, knetete es und sagte: »Siehst du, ich wusste, dass du ein Kuschelbär bist, dass bei dir noch alles stimmt und dass dies auch noch Jahre so bleiben wird, ich wusste, dass du ... Nun komm, ich zeig dir meine Mammillaria  ...

Schnee im April
    E in paar Jahre später klingelte in einem ungewöhnlichen Moment das Telefon. Wir lagen bereits im Bett, aber ich schlief noch nicht. Widerwillig und in erster Linie um zu verhindern, dass Katja aufwachte, stand ich rasch auf und eilte zum Apparat. Wer rief in Gottes Namen so spät noch an?
    »Hallo«, meldete ich mich so unwirsch wie möglich.
    Am anderen Ende der Leitung vernahm ich nur einen Seufzer. Dennoch wusste ich sofort, wer unsere Nummer gewählt hatte, und ich dachte: »Oh Gott, er hat herausgefunden, dass Frederica und ich einander seit einigen Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Armen liegen. Was nun?«
    »Jouri, was ist?«, fragte ich ihn.
    »Hebe, sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    »Was?«, fragte ich ziemlich gereizt. »Hebe? Woher weißt du das? Hattest du noch Kontakt zu ihr?«
    Er antwortete nicht, sondern fragte nur: »Gehst du mit zur Trauerfeier?«
    »Selbstverständlich.«
    »Dann hole ich dich am Samstag um halb neun ab.«
    Es war April, doch an dem Samstag schneite es leicht. Nicht auf unserem Weg, aber ein Stück weiter, in den Wiesen, an denen wir vorbeifuhren. Es war, als sorgten überall winzige lokale Schneestürme für ein sanftes Wimmeln in der Luft. Hier und da fielen Flöckchen herab, die nie den Boden erreichten. Weiter oben, gleich unter den Wolken, wie es schien, tauchten manchmal riesige Flocken auf, die beim Hinabsinken in zarte Miniflöckchen zerbrachen. Ab und zu landete eine solche Miniflocke auf der Windschutzscheibe, um dort augenblicklich zu verdunsten.
    Wir kamen nur langsam vorwärts. Überall verursachten die flüchtigen Schneestürmchen zäh fließenden Verkehr und kleine Staus.
    »Wie gut, dass wir zeitig losgefahren sind«, sagte Jouri. »Sonst würden wir vielleicht zu spät kommen.«
    »Hebe«, sagte ich, »ach, ach, Hebe, ich war vollkommen hin und weg von ihr, aber ehrlich gesagt, ich habe seit dreißig Jahren nicht an sie gedacht. Du?«
    »Sie ist nie aus meinen Gedanken verschwunden«, erwiderte Jouri.
    Wir schwiegen. Ich betrachtete die federleichten Flöckchen, die so seltsam weiß am tiefblauen Wolkenhimmel aufleuchteten.
    »Und nicht nur aus meinen Gedanken ist sie nie verschwunden«, fuhr Jouri nach einer langen Pause fort, »auch nicht aus meinem Leben.«
    »Und warum hast du mir nie etwas davon gesagt?«
    »Weil ich dir nicht wehtun wollte. Dir war sie zuerst aufgefallen, du hast mich auf sie aufmerksam gemacht, ich habe dafür gesorgt, dass du sie nach Hause begleiten konntest, aber dabei hast du es dann belassen, du hast dich nie wieder für sie interessiert ...
    »Ist das ein Vorwurf?«
    »Nein, eine Feststellung.«
    Da war wieder so ein kleines Gestöber, so ein Gewimmel von Flocken. Ganz in der Nähe, nicht auf der Straße, wohl aber in den Weiden.
    »Selbst wenn ich mir die allergrößte Mühe gegeben hätte«, sagte ich, »ich hätte sie niemals bekommen. Ich hatte nicht die Spur einer Ahnung, was ich zu ihr sagen sollte. In ihrer Gegenwart war ich buchstäblich mit Stummheit geschlagen.«
    »Nur weil du in sie noch verliebter warst, als du es selbst in Frederica später je gewesen bist. Und weil du so unglaublich verliebt warst in sie, wurde ich es auch. Du hast mich angesteckt.«
    »Mag sein, aber für dich war es, als wir an jenem denkwürdigen Abend zu dir nach Hause fuhren, kein Problem, dich mit ihr zu unterhalten. Ihr habt euch ziemlich gut amüsiert, während ich wartete. Eure Stimmen klangen, als hättet ihr euch auf Anhieb wahnsinnig ineinander verliebt.«
    »Ich denke, so war es auch, ich denke, dass wir schon damals ... Ach, Hebe, warum musstest du unbedingt mit über hundert Sachen die Straße entlangrasen?«
    Es

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