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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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vergänglichen Leib eines anderen Menschen erneut so nahe gekommen war, wieder solch einen widerlichen Gestank riechen würde. Dem war aber nicht so, ganz im Gegenteil. Ich nahm zwar ihren Körpergeruch wahr, doch der war überaus angenehm, und er gab mir sogleich ein Rätsel auf. Woran erinnerte mich dieser Geruch? Es war, als stünde ich wieder zusammen mit Jouri am Ufer eines schlammigen Entwässerungskanals und rührte in den Seerosenblättern. Manchmal war aus einem solchen Graben, nachdem zunächst Luftblasen entwichen waren, ein köstlicher Duft aufgestiegen, von dem ich nicht genug bekommen konnte. Woher war dieser Duft damals gekommen? Wurde er freigesetzt, weil ich die Pflanze verletzt hatte? Seinerzeit hatte ich nie herausfinden können, was die Quelle dieses Dufts war, den ich jetzt erneut sehr deutlich wahrnahm und der diesmal um seinen Ursprung weniger ein Geheimnis machte als damals.
    »Du duftest so herrlich«, flüsterte ich so leise wie möglich, denn eigentlich wollte ich gar nicht, dass sie es überhaupt hörte. Es hätte sie auf die Idee bringen können, dass ich – seit Kindesbeinen von Blähungen geplagt – nie gut roch.
    Darum war ich sehr verwundert, als sie, ebenfalls flüsternd und allem Anschein nach nicht als Reaktion auf meine Worte, sagte: »Und wie gut du riechst.«
    Oder irre ich hier? Hat sie das erst später gesagt? Neige ich dazu, dieses Ereignis vorzuverlegen, aus einem unangebrachten Hang zu Symmetrie?

Holzblöcke
    G ewiss, sie war eine stampfende Hexe, und sie weigerte sich, die entzückende Minimode zu tragen, doch wenn man sie in die Arme nahm, zitterte sie wie Taube Trespe. Und sie lachte so wunderbar und roch so herrlich nach den schlammigen Gräben meiner Kindheit. Ist das eine ausreichende Erklärung dafür, dass ich schon sehr bald ebenso sehr in sie verliebt war wie sie in mich? Oder war ich weniger verliebt als vielmehr gerührt?
    So viel steht fest: Nach jenem Sonntag verbrachten wir alle Abende gemeinsam. Wir lagen stundenlang auf ihrem Bett, und wie üblich in einer solchen Situation hatten wir das Problem, dass immer mindestens ein Arm eingeklemmt war. Viel Zeit verstrich beim Küssen, Schmusen und Streicheln, doch noch mehr Zeit verging wie im Flug, weil wir einander unsere Jugend erzählten, von Eltern, Freunden und früheren Geliebten. Katja berichtete mir, sie habe schon seit dem ersten Schuljahr eine Herzensfreundin, die bereits mit sechs Jahren recht gut Klavier spielen konnte. Mit dieser Freundin hatte sie immer gemeinsam musiziert, Blavet, Händel, Bach, die Jugendsonaten Mozarts.
    Musste ich ihr nun auch von meinem Kindergartenfreund mit seinen Spinnengräbern erzählen? Ich konnte mich nicht dazu durchringen. Ich gab nur preis, dass ich im Kindergarten oft geschwänzt hatte, weil ich so gern in den Polder ging, um nach Kammmolchen und Wasserstabwanzen zu suchen. Dass ich in Begleitung schwänzte, behielt ich für mich, ebenso wie die Tatsache, dass Jouri und ich Lehrer Splunter regelmäßig zur Verzweiflung getrieben hatten. Es war eine schwere, ja schier unmögliche Aufgabe, von meinem Leben zu erzählen, ohne Jouri zu erwähnen. Aber ich fürchtete so sehr, er könnte mir – obwohl er in Harvard nach Primzahlen mit Dutzenden von Ziffern suchte – ihren Duft und ihr Lachen wegnehmen, dass ich einfach nie auf ihn zu sprechen kam. Allerdings berichtete ich von seinem Vater. Ich tat so, als wäre ich in seiner Werkstatt mit all ihren Schätzen gelandet, weil ich mein Fahrrad hatte aufmöbeln lassen.
    Es zeigte sich im Übrigen schon bald, dass es – außer Jouri möglicherweise – noch jemanden gab, der mir Katja wegnehmen wollte. Wenn ich spätabends den Kurzwarenladen verließ, um nach Hause zu gehen, dann tauchte sie oft schon aus dem Beschuitsteeg auf oder, ein Stück weiter, aus dem Hartesteeg. Hatte sie dort auf mich gewartet? Sie begleitete mich dann einfach bis zur Uiterste Gracht.
    »Hau bloß ab«, sagte ich jedes Mal zu ihr, doch das nützte nichts.
    Meist schwieg sie anfangs eine Weile. Erst wenn wir das Almoeshofje erreichten, brach es aus ihr heraus. »Was findest du nur an diesem Hungerhaken? An solch einer mageren Vogelscheuche, solch einem Klappergestell, das immer in diesen bescheuerten Jeans herumläuft. Du bist ein Fetischist, du stehst auf lange Fingernägel und kurze Röcke und Netzstrumpfhosen. So eine Frau ist nichts für dich, gar nichts, absolut gar nichts.«
    Und dann wedelte sie so heftig mit den Händen, dass ich mich

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