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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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nicht und fragte stattdessen: »Was sagen deine Eltern dazu?«
    »Oh, die sind strikt gegen die Heirat. Weil Katja, wie mein Vater sagt, keiner Kirche und nichts angehört.«
    »Bist du noch religiös?«
    »Als Kind konnte ich einfach nicht glauben, dass alle Tiere in Noahs Arche gewesen sein sollen. Die Arche erschien mir viel zu klein dafür. Das war das winzige Loch im Deich, wodurch das Wasser eindrang. Der Deich weichte auf und brach. Und jetzt steht mein Glaube meterhoch unter Wasser.«
    »Ich bin froh, das zu hören, denn Religion ... Religion ist etwas Schreckliches. Wo sie wuchert, gedeiht dumpfes Elend.«
    »Religion ist die Bilharziose des Geistes.«
    »Das muss ich mir merken.«
    Wir erreichten das Sägewerk. Natürlich half ich beim Einladen der Holzblöcke.
    Katjas Vater meinte anerkennend: »Ich darf feststellen, dass du ordentlich anpacken kannst. Nun denn, die Hand meiner Tochter sei dir von Herzen gegönnt. Halt dich aber mit Geschichten über gruseliges Getier zurück. Und was ich noch sagen wollte: Meine Frau ist schnell erschöpft. Dann fängt sie zu schimpfen an. Katja ist auch so. Erschrick also nicht, wenn sie anfängt herumzuwüten. Denk dann dran, dass sie im Begriff ist, sich zu überarbeiten. Sie meint es nicht böse, aber sie ist schnell gereizt, wenn sie müde ist. Das sind wir vermutlich alle, nur hat der eine mehr Energie als der andere. Aber ganz offensichtlich hast du Energie für zwei, und darum bin ich sehr zuversichtlich.«
    Katja und ich bestellten das Aufgebot. Wir verschickten die Einladungen, und mir stellte sich die Frage: Schicke ich Jouri auch eine Karte? Ich grübelte lange. Was konnte schiefgehen, wenn ich ihm eine Einladung zukommen ließ? Würde er sofort das nächste Flugzeug nehmen? Das war natürlich Unsinn. Trotzdem warf ich die Karte für Jouri erst zwei Wochen vor unserem Hochzeitstag in den Kasten. Ich dachte, selbst wenn er die Karte noch vor der Eheschließung bekam, würde er von Harvard aus nichts mehr unternehmen können. Völlig beruhigt war ich dennoch nicht. Ich hatte sogar erwogen, ihn gar nicht einzuladen. Aber was hätte ich erwidern sollen, wenn er mich nach seiner Rückkehr gefragt hätte: »Warum hast du mich nicht darüber informiert, dass du heiratest?« Sollte ich dann lügen: »Wieso, ich habe dir eine Karte geschickt, aber die ist offenbar verloren gegangen.«
    An unserem Hochzeitstag erreichte uns ein Glückwunschtelegramm. Aus Harvard. Von Jouri. »Ich bedauere es schrecklich, dass ich nicht dabei sein kann«, hatte er unter die ausführlichen Glückwünsche geschrieben.
    »Wer ist Jouri?«, wollte Katja wissen.
    »Ein brillanter Studienfreund«, sagte ich ungezwungen.

Pniëlkirche
    J ust in dem Moment, als Anton Bruckners Fünfte Symphonie begann, klingelte es eines Abends im September an der Tür. Ich wollte mir Bruckners kontrapunktisches Meisterwerk in aller Ruhe anhören, obwohl mein Radio eigentlich zu klein war, um die überragende Gewalt adäquat wiederzugeben. Daher hatte ich wenig Lust zu öffnen. Ich ging zum Fenster und spähte nach unten. Wer stand dort vor dem Kurzwarenladen? Ein einziger Blick auf den Scheitel reichte. Ich eilte die Treppe hinunter, sprintete durch den Laden und öffnete die Tür.
    »Nicht zu glauben, da bist du wieder. Seit wann bist du wieder hier?«
    »Seit Sonntag.«
    »Komm rein.«
    »Aha, hier wohnst du jetzt also. Wie bist du hier gelandet?«
    »Katja wohnt hier, ich konnte bei ihr einziehen.«
    Kurze Zeit später saß er bereits im Wohnzimmer am Fenster. Ich versorgte ihn mit Speis und Trank und stellte schweren Herzens das Radio leiser.
    »Allein zu Haus?«
    »Ja, Katja gibt abends oft Unterricht an der Musikschule. Die meisten Schüler haben tagsüber keine Zeit. Sie arbeiten oder müssen zur Schule.«
    »Hast du ein Foto von ihr?«
    »Nicht direkt zur Hand.«
    »Wann kommt sie nach Hause?«
    »Meistens gegen zehn.«
    »Wieso hast du sie in deinen Briefen nie erwähnt?«
    »Hätte ich das tun sollen?«
    »Ich finde dein Vorgehen ziemlich sneaky. Hinter meinem Rücken hast du Hals über Kopf geheiratet.«
    »Ja«, sagte ich halb lachend, »wenn ich gewartet hätte, bis du wieder da bist, dann hättest du mir vielleicht einen Stock in die Speichen geworfen.«
    »Ach, red keinen Quatsch, von mir hattest und hast du nichts zu befürchten, das weißt du genau.«
    »So so, und was ist mit Ans und Ria und Wilma und Frederica?«
    »Das war doch alles nichts Ernstes. Sei froh, dass ich all diese Mädchen

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