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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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kauerte sich hin, sie warf einen Haufen Kleider über ihn und obenauf den Froufrou.
    »Gleich!« Hunderte von Auftritten hatten sie gelehrt, sich in Sekunden anzuziehen. Arme, Beine, Kopf schlüpften gleichzeitig in das Kostüm, im Garderobenspiegel erstrahlte sie als Rauschgoldengel.
    Die Tür barst auf und knallte gegen die Wand, riss einen Hutständer zu Boden. »Warum?«, schrie Jérôme. »Warum hast du mich so hintergangen?«

    Irina sah die Tränen, sah die bleichen Wangen, die zitternden Mundwinkel. Waidwund, ja, nichts anderes waren diese Augen. Ihr romantischer Poet suchte erschüttert Halt am Garderobentisch. »Du hast mich benutzt, um an die geheime Flottenplanung zu gelangen. Die Wanderungen am Meer in Saint Malo. Wie du mich unter dem Sternhimmel auf der Bastion geküsst hast! Deine Seufzer und Zärtlichkeiten waren nichts als Lug und Trug.«
    Irina hob das goldene Käppchen auf, das vom Hutständer gefallen war, und drapierte es mechanisch auf ihren Haaren. »Anfangs.«
    Seine Nasenwinkel zuckten. »Du gibst es also zu!«
    Irina war es, als wehte ein wenig salzige Luft herein. »Aber dort auf den Kaimauern über dem Meer hast du mich bezwungen.« Ihr wurde das Herz schwer. »In deinen Worten lag eine solche Seelenverwandtschaft. Deine sanften Umarmungen haben mich in eine Geborgenheit gewiegt, die ich mein ganzes Leben vermisst habe.«
    »Erzähl solche Märchen deinem Publikum.« Jérôme reckte das Kinn wie ein Ritter vor dem Todesstoß. »Berlin hat dich auf mich angesetzt. Wie hättest du sonst die Bedeutung meiner gekritzelten Notizen ermessen können? Dich hat nichts anderes interessiert, als durch mein Bett an die Marinegeheimnisse zu kommen.«
    »Ich weiß, dass du mir nicht glauben kannst.« Irina hatte es nie für möglich gehalten, dass sie zwei Männer lieben könnte. Jeden auf eine andere Art und doch beide so sehr, dass es ihr das Herz zerriss bei dem Gedanken, Jérôme zu verlieren. »Ich war in dem Auftrag gefangen.«
    Jérôme packte ihre Hände. »Warum hast du es mir dann nicht einfach gestanden? Ich hätte dir Zuflucht verschafft.«

    Irina verging fast unter dem anklagenden Schimmer in seinen Augen. »Ich konnte nicht mehr zurück.«
    »Warum?« Jérômes Blick fiel auf sein und Heinrichs Portrait am Rande des Garderobenspiegels. Er ließ ihre Finger los, versteifte sich, trat auf die Fotografien zu. Sein Mundwinkel zuckte, als er sich mit dem Handgelenk über die Stirn wischte.
    »Jetzt wirst du zurückkönnen«, brach es aus ihm heraus. In stockendem Flüstern ergänzte er: »Und zwar auf die Bühne. Ich rate dir, Chérie: Glänze, wie du noch nie auf einer Bühne geglänzt hast. Im Parkett sitzen drei Minister.« Schlimmer als der zynische Ton war, dass in seinem Blick kein Fünkchen Verständnis glimmte. »Wenn diese Herren keinen Gnadenerlass erwirken, ist es aus mit dir. Auf Spionage gegen Frankreich steht das Schafott.«
    Das hatte Heinrich ihr verschwiegen - oder hatte sie es nur nicht wissen wollen? Irina fühlte eine Ohnmacht nahen. Die Bühnenklingel schrillte erneut. Jérôme wippte nur mit dem Fuß, rief zum Gang hin. »Garderobiere! Staffiere sie aus - und dann ab mit ihr.«
    »Madame.« Maria wischte ihr schon mit einem kalten Lappen übers Gesicht, tätschelte ihr die Wangen. Die gute Alte trocknete Irinas Tränen mit einem Zipfel ihrer Schürze und strich Goldglitter auf die geröteten Lider. »Madame, noch zwei Minuten!«
    Auf dem Weg hinaus stützte Maria sie. Jérôme, ihr Poet, hatte jede Sanftheit verloren, mit verschränkten Armen sah er ihr kalt nach wie ein Metzger einem Stück Vieh. »Weihnachten, Goldengel, ist das Fest der Liebe. Sing uns was Schönes aus deinem Lügenhimmel, du …«
    Irinas Ohren weigerten sich, die Beschimpfungen zu
hören. Mit jedem Schritt auf die Bühne zu, mit den heller werdenden Lichtern, dem Takt der Musik verwandelte sie sich wieder in die Lasarewa.
    Die würde ihr Publikum niemals enttäuschen.
    »Mesdames, Messieurs! Weihrauch, Myrrhe und Gold brachten die drei Könige - heute Abend werden diese Gaben lebendig!«
    Die Melodie setzte ein. Die beiden Chorsängerinnen warteten schon im Kostüm auf sie. Die Lasarewa holte Luft, sprang ins Licht und schwang den Arm zum Füllhorn der Dekoration hin: »Gol-den ist die Ehrenkron, -kron, -kron, gol-den ist mein Liebeslohn, -lohn, -lohn …«
     
    Heinrich wartete hinter dem Paravent, bis die Schritte verklungen waren. Von den Kostümen Irinas stieg Parfüm auf, was seine Eifersucht

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