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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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geliebt.« Jérôme bewegte langsam die Hände zur Brust und knöpfte sich die Uniform auf. »Soll es sterben - aber du wirst jeden Tag meinen Mörder sehen müssen.«
    Die Talmi-Rose fiel ihr aus der Hand. Jérôme ließ Irina nicht aus den Augen, Heinrich beachtete er gar nicht.
    Der bog den Finger, der Zündhammer schlug.
    Doch dem leisen Klacken folgte kein Schuss.
    Irina sackte auf einen Stuhl, ein leises, zittriges Lachen entfuhr ihr.
    Ihre beiden Männer starrten auf die Waffe.
    »Sie war aber geladen«, sagte Heinrich überrascht wie ein trotziges Kind.
    Irina zog langsam die Schublade des Schminktischs auf. »Ich habe die Patronen herausgenommen.«
    Heinrich ließ die Waffe fallen; Jérôme furchte mit den Fingern sein Haar. »Warum?«, fragten beide wie aus einem Mund.
    Nie hatte Irina sterbende Königinnen oder trauernde Heldenmütter gespielt, nur die luftigen Figuren der leichten Muse. Doch es war ihr so ernst wie niemals zuvor im Leben.
»Damit Heinrich dich nicht tötet. Und du nicht der Mörder von Jérôme wirst.«
    Hinter den beiden leuchtete an der Wand der Weihnachtsstern auf dem Plakat ihrer Revue. Zum ersten Mal verstand Irina, was all die Pfaffen ihrer Kindheit mit der Weihnachtsbotschaft gemeint hatten. »Ich kann keinen Toten lieben und keinen Mörder. Eher sterbe ich selbst.«
    Jérôme sank auf sein rechtes Knie. »Aber wenn du so weit vorausgedacht hast, dann bedeutet das ja, dass du mich … dass alles doch wahrhaftig war zwischen uns.« Er sah zu Heinrich und flüsterte: »Aber auch mit ihm …«
    Irina schloss die Augen, seufzte. Sie steckte Jérôme das Blatt mit den Geheimcodes in den Ärmel seiner Uniform. »Ich hätte dir so viel mehr stehlen können, aber ich brachte es nicht übers Herz.« Dann wandte sie sich an Heinrich. »Genauso wenig wie ich es fertigbrachte, dich zu enttäuschen und gar nichts zu bringen.« Wie dumm war es gewesen zu glauben, sie könnte nur ein bisschen spionieren, so wie man im Tingeltangel die Gäste nur ein bisschen bei den Schnäpsen betrog, indem man sie mit Wasser verlängerte. »Aber ihr wart beide so gut zu mir, so wunderbar.« Sie richtete sich auf. Es war an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. »Ihr seid wie Tag und Nacht, wie Feuer und Wasser, wie Meer und Land. Ihr gebt mir beide so viel, dass die Welt für mich doppelt schön wird.« Irina hob die Hände zur Decke. »Ich bin ein Geschöpf aus dem Reich der Illusionen. Wie hätte ich auf eure wahrhaftige Zuneigung, dieses unerwartete Geschenk des Schicksals, verzichten können?«
    Die Männer maßen einander wie Panther und Leopard.
    Heinrich schnaubte. »Keiner von uns ist einen Deut besser als der andere, Franzmann. Zu Anfang war sie nichts als
mein Instrument. Du kennst das, nicht wahr? Ihr Franzosen habt diese Art der Spionage ja erfunden.« Heinrichs dunkler, glutvoller Blick lag kurz auf Irina. »Aber Befehle, Strategien, die gelten jetzt nichts mehr. Ich will Irina retten, sonst nichts. Vor eurem Schafott.« Heinrich knüpfte die Ärmel auf und stellte sich wie ein Faustkämpfer in Position. »Klären wir das, wie es sich unter Offizieren gebührt. Mann gegen Mann.«
    Jérôme zog sich die Uniformjacke vom Leib. »Ihr Teutonen zieht es vor, zu kämpfen und in Ehren unterzugehen.« Er lächelte fein. »Dein Heldenmut wird Irina nicht retten.« Er warf die Jacke zu Boden. »Es gibt nur einen Weg.«
    Heinrich kniff die Augen zusammen und ließ die Arme sinken. »Warum sollte ich dir und nicht meinen Fäusten vertrauen?«
    »Irinas wegen.« Jérôme nahm Irinas Hand, küsste die Fingerspitzen. »Nur ihretwegen schlägst du mich nun nieder und zerwühlst Irinas Garderobe, als ob du etwas gesucht, aber nicht gefunden hättest.«
    Irina liefen die Tränen übers Gesicht. Glaubte Jérôme wirklich, dass sie das Moulin Rouge heil verlassen könnten, wenn er sich opferte?
    »Und dann?«, fragte Heinrich kalt.
    »Flieht ihr nach Irinas letzter Nummer über das Dach. Meine Männer haben Anweisung, den Besuch der Minister in der Garderobe abzuwarten. Ohne meinen Befehl tun sie nichts.«
    Heinrich lächelte schmal, wie er es immer tat, wenn ihn ein geheimer Gedanke beschlich. Doch anders als sonst vermochte Irina nicht zu erraten, was er vorhatte.
    »Du hast es so gewollt.« Heinrich holte mit der Rechten
mit aller Kraft aus und traf Jérôme an der Schläfe. Dessen Körper erschlaffte, die Fußspitzen fielen auseinander wie bei einer hingeworfenen Marionette, der Kopf sackte weg, helles Blut rann aus

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