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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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unauffällig gekleideten Kontrolleure, die als Letzte den Wagen betreten hatten.
Routiniert nahmen sie sich die Fahrgäste vor. Die meisten hatten ihr Ticket zur Hand. Manche begannen zu suchen. Eine Frau sagte: »So was an Heiligabend!«
    Als die junge Mutter erkannte, was vorging, wurde sie blass. Mit fliegenden Fingern öffnete sie ihre Tasche und wühlte darin.
    »Fahrkartenkontrolle. Den Fahrschein bitte.« Umständlich holte Arthur seine Brieftasche aus der Innentasche des Mantels und zog die Monatskarte heraus. Der Kontrolleur bedachte sie mit einem flüchtigen Blick und drehte sich zu der nervös suchenden jungen Frau um. Schweigend sah er ihr ein paar Sekunden lang zu. Dann sagte er nochmals: »Fahrkartenkontrolle. Ihren Fahrschein bitte.«
    Ringsum wurde es still. Endlich brachte sie eine zerknitterte Streifenkarte zum Vorschein. Der Kontrolleur streckte die Hand aus, drehte das Papier hin und her. »Sie haben nicht abgestempelt. Das heißt, Sie fahren ohne gültigen Fahrschein. Das macht vierzig Euro, bitte.« Er zeigte auf einen rot umrandeten Hinweis über der Tür.
    »Aber … ich habe es bloß vergessen! Ich hatte es eilig! Ich habe nur nicht dran gedacht …«
    Der Kontrolleur betrachtete nochmals den ziemlich mitgenommenen Fahrschein. Kein einziger Stempel befand sich darauf. »Tja, absichtlich oder nicht: Die Fahrkarte hier ist nicht gültig gestempelt. Das macht vierzig Euro.«
    »Aber ich habe das Geld nicht.« Ihr Gesicht war wachsbleich.
    »Dann muss ich Sie bitten, mit auszusteigen, um Ihre Personalien aufzunehmen …«
    »Aber …«
    Jemand zischte: »Die Frau ist eine Schwarzfahrerin!«

    Arthur holte zwei Scheine aus seiner Brieftasche. Er räusperte sich und berührte den Ärmel des Kontrolleurs. »Hier sind die vierzig Euro, bitte sehr.«
    Die junge Mutter blieb stumm. Ihr kleiner Sohn hatte sich an sie geschmiegt, er hielt den Kopf gesenkt. Als sie bei der nächsten Station aufstand, schaute die junge Frau Arthur unsicher an. Sie zögerte. »Danke«, murmelte sie.
    Er nickte freundlich.
    Der Kleine zog einen Handschuh von seinen Fingern. Zwischen Daumen und Handfläche hielt er etwas Rotes. Es sah aus wie zusammengeknülltes Bonbonpapier. »Für dich!«, sagte er und reichte es dem alten Mann. Es war ein unbeholfen ausgeschnittener Stern aus Glanzpapier.
    Da lächelte die junge Frau, und es war Arthur, als würde er für einen Moment in Emmis strahlend blaue Augen blicken. »Frohe Weihnachten.«
    Allmählich leerte sich der Wagen, und Arthurs Kopf sank vornüber. Er erwachte erst wieder, als der Zug in seine Haltestelle einfuhr. Schwerfällig stand er auf.
     
    Der Bahnsteig war dunkler als sonst. Das Bahnhofsgebäude wirkte verlassen. Arthur machte sich auf den letzten Teil seines Heimwegs.
    Zunächst schenkte er seiner Umgebung keine Beachtung. Ein eiskalter Wind pfiff, die Straße war glatt; einmal wäre Arthur um ein Haar gefallen. Schneeflocken tanzten. Es war längst Zeit zur Bescherung. Niemand kam ihm entgegen, und auch kein Auto fuhr vorbei. Der Weg zog sich in die Länge, Arthurs Müdigkeit wuchs. Immer öfter musste er stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Der Druck auf seinem Herzen wurde zur Qual. Arthur lehnte sich an einen Gartenzaun.
Sein Herz raste, seine Füße weigerten sich, noch einen Schritt zu tun. Wie schön wäre es, sich auf diesen Mauervorsprung zu setzen. Er schloss die Augen, spürte den schmelzenden Schnee nass auf seinem Gesicht.
    Was würde Emmi machen, wenn er hier draußen zusammensackte? Wenn er morgen nicht zu ihr käme?
    Arthur zwang sich, tief ein- und auszuatmen. Schließlich schaffte er es, seine Benommenheit ein wenig abzuschütteln und langsam weiterzugehen. Doch er hatte nicht mehr die Kraft, die Beine zu heben. Er bewegte sich schlurfend.
    Da rutschte ihm auf dem eisglatten Gehweg auf einmal der rechte Fuß weg. Er ruderte mit den Armen, konnte aber nicht verhindern, dass er den Halt verlor und schwer auf die Knie stürzte. Vor ihm war plötzlich alles weiß. Schneeweiß und kalt. Er ließ sich vornübersinken und schloss die Augen. Wie müde er war! Nur einen Augenblick wollte er liegenbleiben, ein wenig ausruhen.
    Erschöpft drehte er sich auf die Seite. Nur etwas schlafen. Ihm war jetzt gar nicht mehr kalt. Er wollte zu Emmi unter die Decke schlüpfen und einfach vergessen …
    Da schien etwas seine Schulter zu berühren. Arthur streckte tastend die Hand aus, fühlte nur nassen Schnee. Lag Emmi nicht neben ihm?
    Nein. Arthur kam wieder zu

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