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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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während sie durch die weihnachtliche Stadt ging und sich selbst verfolgte.
    Die Frau, die aussah wie Nina, schlug endlich den Weg zum Englischen Garten ein.
     
    Freitag, 24. Dezember 2010. Sie.
    Es hatte alles besser geklappt als erwartet. Die andere war ziemlich naiv in die Falle getappt, fast ein bisschen zu naiv, schließlich war sie ihr Klon, hatte ihr Hirn und ihre Denkfähigkeit! Und dabei hatte Nina auch noch die ganze Zeit geglaubt, ihren Klon selbst in eine Falle zu locken. Dummes Mädchen. Dummes, verliebtes Mädchen.
    Sie streckte sich auf dem cremefarbenen Designersofa aus und schaltete den nagelneuen Flatscreen-Fernseher mit
dynamischem Ambilight ein, den sie sich selbst zu Weihnachten geschenkt hatte. Warum Nina noch keinen besessen hatte, bei ihrem Kontostand, war ihr ein Rätsel. Aber das war ja nun auch egal. Nina war Geschichte. Nina würde nie wieder diese Wohnung betreten, nie wieder in ihr Auto steigen, nie wieder ihre Kreditkarte benutzen und nie wieder mit ihrem Chef nach Barcelona oder New York fliegen, um dort Kundengespräche zu führen. Und es war alles so einfach gewesen.
    Sie nahm einen Schluck Veuve Cliquot und begann laut zu lachen.
     
    Freitag, 31. Dezember 2010. Erldunda, Northern Territory, Australien. Nina.
     
    »Gute Neuigkeiten«, rief Nina und warf sich Jens in die Arme, »ich kann gleich am Montag im Restaurant anfangen!«
    »Toll«, antwortete Jens und küsste Nina, »aber sag mal, willst du mir nicht erklären, was du mir schon im Flugzeug versprochen hast? Warum wir hier sind, in dieser Hitze, in diesem Kaff, das eigentlich nur eine Straßenkreuzung ist?«
    »Okay«, sagte Nina und spürte Angst in sich aufsteigen. Bisher war alles so gut gelaufen. Sie lebte, sie war in Sicherheit, und sie hatte Jens. Mehr zählte nicht. Und doch schuldete sie ihm die Wahrheit. Mit Hilfe des Beweisfotos würde er ihr glauben. Glauben müssen. Das Foto, das sie von sich selbst und ihrem Klon gemacht hatte, als der Deal beschlossene Sache war, vor zwei Wochen im verschneiten Englischen Garten, der nun so weit weg war.
    »Wir brauchen einen Computer«, sagte sie, »am besten fragen wir mal an der Tankstelle. Die haben bestimmt einen.
Und auf dem Weg dorthin erzähle ich dir die ganze Geschichte.«
     
    Mit zitternden Fingern schob Nina die Speicherkarte in den Kartenleser des Rechners. Jens hatte sie nicht unterbrochen, hatte keine Rückfragen gestellt, sondern nur zugehört. Und dann hatte er gesagt: »Das klingt alles total verrückt, aber ich glaube dir. Du musst mir keinen Beweis zeigen. Diese Nina, die ich neben dem Feuerzangenbowle-Stand gesehen habe, war genauso schön wie du, aber sie war ein anderer Mensch. Sie war kalt und berechnend und böse. Wunderschön, aber böse.«
    »Ich möchte es dir trotzdem zeigen. Du sollst es mit eigenen Augen sehen. Ich möchte nicht, dass ein Rest Zweifel bleibt und du irgendwann denkst, ich wäre vielleicht doch nur ein bisschen übergeschnappt.«
    »Na gut.«
    Die Festplatte summte, und der Inhalt des Speichermediums erschien auf dem Desktop. Nina klickte, und ein Fenster mit Foto-Dateinamen öffnete sich. Sie holte tief Luft und doppelklickte auf den letzten Namen. Auf dem Bildschirm erschien eine Meldung:
    Die Datei kann nicht wiedergegeben werden: Fehler 23 .

MARIANNE HACKER
    Emmi
    Arthur hielt Emmis zitternde Rechte in seinen Händen. Schon zum dritten Mal sagte er: »Emmi, ich muss jetzt gehen.«
    Sie sah ihn erschrocken an. »Aber du nimmst mich doch mit?«
    »Emmi, das geht nicht. Das weißt du doch.«
    Sie schwieg. Ihr angstvoller Blick verriet, dass sie nur eines begriff: Er ließ sie allein. Egal wie oft er seiner Frau erklärte, dass sie nun hier, im Pflegeheim, wohne und zu krank sei, um mit ihm nach Hause zu gehen, sie erfasste den Sinn seiner Worte nicht. Oder vergaß sie binnen einer Minute.
    Es zerriss ihm das Herz.
    Von der Decke des Speiseraums hingen Tannenzweige und Sterne. Am Christbaum brannten kleine elektrische Kerzen, und aus dem Radio tönte leise Weihnachtsmusik. An Emmis Tisch saßen reglos drei alte Damen. Es war Heiligabend. Wie jeden Spätnachmittag am Ende seines Besuchs
hatte Arthur Emmi mit dem Rollstuhl an ihren Platz geschoben. Es roch nach Kinderpunsch. Ein Nikolaus aus Schokolade lag neben Emmis zusammengelegtem Esslatz. Draußen war es längst dunkel. Schneeflocken schwebten am Fenster vorbei.
    Emmis Linke tastete nach einem Strohstern. »Ist bald Ostern?«
    »Weihnachten, Emmi.«
    Ihre Augen weiteten sich.

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