Schneeköniginnen
unwirschen Handbewegung herein und verschwand.
Katie blieb im Eingang stehen und sah
sich um.
»Whow!« hauchte sie. Sarah hatte nicht
übertrieben. »Wohnt Lis hier alleine?«
»Nein, es wohnen noch zwei oder drei
Leute hier, so genau kann man das nie sagen, das wechselt.«
»Diese Bonnie?«
»Nein«, Sarah schüttelte entrüstet ihr
Haupt, »Bonnie macht hier nur sauber und kocht. Sie geht abends wieder.«
Ein Dienstmädchen! In dem Moment trat
Lis hinter einem türkisseidenen Vorhang aus dem Hintergrund hervor, stutzte
kurz und raste dann mit ausgebreiteten Armen auf Katie zu.
»Katiiie?!« Ihre Stimme endete in
einem hohen Quietschen. »Katie, meine Katie! Wo bist du gewesen, warum hast du
nie geschrieben?« Lis hing für einen glücklichen Moment an Katies Hals. Doch dann
besann sie sich auf den Umgangston, der seinerzeit zwischen ihnen geherrscht
hatte. Sie ließ Katie schlagartig los und sagte: »Los, komm da von der Tür weg,
das schadet sonst noch meinem Ruf.«
Katie fiel ein Stein vom Herzen. Nach
ihrem Erlebnis mit der durchgeknallten Großmutter war ihr für einen Moment ganz
mulmig zumute geworden. Aber Lis schien sich Gott sei Dank nicht verändert zu
haben. Zumindest, was ihr Wesen betraf. Äußerlich war sie kaum
wiederzuerkennen. Ihr ehemals dunkles, langes Haar war nun kürzer und
schimmerte rötlich. Es wurde oben auf dem Kopf von einem Band zusammengehalten,
um gleich wieder wie ein Büschel auseinanderzufallen, was ihrem Kopf die
Silhouette einer Ananas gab. Ihr Gesicht wurde noch immer von den dramatisch
großen Mandelaugen beherrscht, aber irgendwas mußte mit ihrer Nase passiert
sein, denn die war ursprünglich sichelförmig geschwungen gewesen, was Lis den
Spitznamen »Winnetou« eingebracht hatte. Nun war sie auf einmal exakt
kerzengerade. Katies Augen arbeiteten sich weiter. Noch etwas stimmte nicht.
Irritiert starrte sie ihre Freundin an. Dann sagte sie zur Begrüßung: »Mensch
Lis, wo hast du bloß diese gewaltigen Titten her?«
Am nächsten Morgen vertilgte Anne
bereits um acht einen Wabbeltoast und wählte danach von der Halle aus Stefans
Nummer. Es dauerte unendlich lange, dann meldete er sich verschlafen. Ein Heer
Ameisen kroch ihren Rücken hinab. Ohne ein Wort zu sagen, legte sie wieder auf.
Er war da.
Diesmal konnte sie das Taxi vor seinem
Haus getrost wegschicken. Doch schon von den äußeren Stufen aus erspähte sie
den dicken Zerberus vom Vortag. Mist! Während sie noch zögerte und
Spekulationen über die nun fällige Summe anstellte, rasselte drinnen ein
Telefon. Sie hörte den Dicken kurz sprechen, dann wuchtete er sich schwerfällig
aus seinem Sessel und entschwebte mit dem Aufzug himmelwärts.
Anne nutzte die Gunst des Augenblicks.
Im Sturm nahm sie die Halle und klapperte auf hohen Hacken die ausladende
Treppe hinauf.
Es war fast genau so, wie sie es sich
vorgestellt hatte. Stefan war offensichtlich noch verschlafen, oder sogar ein
wenig verkatert. Er stand leicht schwankend in der Tür, seinen abgewetzten
Bademantel nachlässig zugebunden, darunter sah man den Slip mit den kleinen
Nikoläusen drauf, eines von Annes Weihnachtsgeschenken.
Sein Gesicht wurde abwechselnd
tomatenrot und aschfahl, wie eine Warnlampe. »Anne! Wie zum Teufel... Was tust du denn hier?« Seine braunen Augen waren schreckgeweitet, er rang nach Luft. Man
hätte beinahe den Eindruck bekommen können, als sei er bestürzt über ihre
duftige, morgenfrische Erscheinung, während sie ihn wie ein
Tausend-Watt-Scheinwerfer anstrahlte.
Sie schmiß sich ihm noch unter der Tür
entgegen, saugte seinen warmen Bettgeruch ein, ihr Kuß traf sein stoppeliges
Kinn. Der Ärmste war total daneben, hielt sie linkisch in den Armen und
stotterte: »Wo... wo kommst du denn her, ich meine... jetzt, so in aller
Herrgottsfrühe?«
»Ich war gestern schon da, aber du
nicht, da habe ich im Plaza übernachtet«, sprudelte Anne hervor.
»Im Plaza...«, wiederholte er
mechanisch.
Über seine Schulter erstahl sie sich
einen Blick in die Küche. Ein monströser Kühlschrank, Türme von schmutzigem
Geschirr, verstreute Zeitungen, es sah aus, wie es bei Stefan eben immer
aussah. Ein grandioser Schlamper. Vermutlich verfügte der nächstgelegene
Pizzaservice über seine Wohnungsschlüssel. Doch an einem der Stühle hing etwas,
von dem eine seltsame Störung des vertrauten Bildes ausging. Es sah aus wie ein
T-Shirt, aber der Stoff... so seidig schimmernd, nein, eher eine Bluse. Das
Problem dabei war, Stefan
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