Schneeköniginnen
Rink zugesehen oder die Breakdancer beobachtet, wie sie
zum neuesten Hop-Hop ihre akrobatischen Spielereien einstudierten.
Ihr momentaner Parkaufenthalt hatte
jedoch eher materielle Gründe. Abgeschlaffte Büroangestellte und Liebespärchen
trafen sich um diese Stunde zum Picknick auf den Rasenflächen. Katie spähte
nach einem Objekt. Ein jüngerer Typ in Nadelstreifen und Hosenträgern kam an
ihr vorbei. Sicher einer dieser Börsenhaie, oder vielleicht ein Banker,
ziemlich ausgepumpt und fertig jedenfalls.
»He!« zischte Katie. Er verlangsamte
seinen Schritt, als hätte er auf sein Stichwort gewartet. Sie trat auf ihn zu
und spulte eine dieser Phrasen herunter, die Geschäfte bestimmter Art
einzuleiten pflegten: »Ey, Mann, ich hab’ was für dich. Das Schärfste, was je
durch deine Nasengänge gekrochen ist, ehrlich, das bringt dich Gott näher als
alles andere. Quatsch, was sage ich? Du wirst Gott sein!«
Na also, das ließ sich ja prima an. Er
überlegte eine Zehntelsekunde, heiße Gier ließ seine Pupillen wie Glühwürmchen
aufleuchten.
»Was soll das sein?« Sein Tonfall
drückte absolute Wurstigkeit aus, konnte Katie jedoch nicht täuschen.
»Komm mit.« Sie ließ ihm keine
Bedenkzeit, lief voraus zu einem kleinen Gebüsch, er vorsichtig um sich
blickend hinterher. Sie verschwanden.
Minuten später kam der Typ wieder
heraus, kurz danach Katie. Sie setzte sich hochzufrieden auf die Bank,
zweihundert Dollar mehr in der Reisekasse. Das war glatt gelaufen. Bei dieser
Art Kunden brauchte man wenigstens nicht um sein Leben zu fürchten.
Etwas Hartes, Kaltes berührte sie im
Nacken und brachte ihr Herz beinahe zum Stillstand. Starr schielte sie nach
hinten. Es war die Klinge eines Messers, eines mordsmäßigen Apparillos. Katie
machte sich um ein Haar in die Hose.
Der Besitzer des Mordinstrumentes
sprang mit einem eleganten Satz vor die Bank. Er war mindestens einen Kopf
kleiner als Katie, ein schmächtiger, hasenzähniger Latino-Junge, vielleicht
zwölf, dreizehn Jahre alt.
»He, was soll das?« Katie funkelte ihn
wütend an.
»Was hast du eben mit dem Kerl in den
Büschen getrieben?« Hasenzahn fuchtelte mit seinem Dolch vor ihrer Nase herum.
»Was geht dich das an? Nimm dieses
alberne Ding da weg.«
»Ich frag’ nicht noch mal.«
»Okay, okay. Reg dich ab! Ich hab’ ihm
für ‘nen Zwanziger einen runtergeholt. Kannst du ja auch machen. Im Moment ist
er aber ziemlich ausgelutscht. Lauf, vielleicht holst du ihn noch ein.«
»Sei vorsichtig. Und nenn’ mich nicht
Schwuchtel.«
»Hab’ ich ja nicht. Und jetzt: Adiós,
Amigo! Ich bin zum Relaxen hier.«
Er sah sie mißtrauisch an. Augen,
schwarz wie Motoröl. »Einen runtergeholt, was?«
»Ja, verdammt. Noch nie was davon
gehört?«
»Sei vorsichtig! Falls du hier Drogen verkaufst,
solltest du schleunigst verschwinden. Das ist nämlich mein Gebiet hier, klar?
Wer das nicht kapiert, der kriegt echte Probleme mit mir, verstanden?« Erneut
drohendes Messergefuchtel.
Beinahe hätte Katie über diesen Pimpf
lauthals gelacht, doch sie machte sich im selben Moment klar, in welcher Stadt
sie sich befand. Der Typ, so komisch er wirkte, meinte es zweifellos ernst. Das
zarte Pubertätsalter hielt die Leute hierzulande nicht zwingend von
Brutalitäten ab. Also stöhnte sie theatralisch: »Mach dir nicht ins Hemd, Mann,
ich hab’ nichts verkauft. Bin nur zufällig hier, mein Gebiet ist normalerweise
am Times Square.«
»Soso.« Er musterte sie gönnerhaft,
jetzt ganz cooler Macho. »Okay, Baby...« Diese halbe Portion nannte sie
tatsächlich »Baby«! »...falls du hier öfter rumhängst, könnten wir vielleicht
ins Geschäft kommen.«
Katie konnte ihren unbändigen Lachreiz
kaum noch kontrollieren.
»Schon möglich.«
»Okay. Aber denk dran. Keine Deals in
meinem Revier!« Er steckte das Messer weg, und fort war er, so schnell und
unbemerkt, wie er gekommen war.
Ein Zuhälter dieses Kalibers, das
fehlte mir noch. Ganz schön auf Draht, die Kids hier. Sie sah sich um, ob
dieses versaute Gör auch wirklich verschwunden war, und da auch sonst gerade
niemand vorbei kam, gönnte sie sich selbst eine kleine Prise.
Hier war nun leider kein Reibach mehr
zu machen, das Kerlchen würde garantiert noch eine Weile herumlungern und sie
beobachten. Es schien angeraten, zu verschwinden; wenn dieses Gesocks einmal
Stoff witterte, war ihr Leben weniger wert als eine leere Colabüchse.
Also stand sie auf und verließ den
Park in Richtung downtown. An einem
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