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Schneekuesse

Schneekuesse

Titel: Schneekuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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damit die Gedanken aus ihrem Kopf. 
    Netty läuft weiter, sie lässt sich treiben. Nichts denken, so wie Linda gestern Abend. Einfach nur da sein. Nichts tun müssen. Ihr Handy hat sie wohlweislich im Badezimmerschrank eingeschlossen. 
    Niemand ruft nach ihr. Es ist herrlich! 
     
    Nach einer Stunde geht Netty die Stufen zur Terrasse hoch. 
    Die Tür öffnet sich, ein köstlicher Geruch quillt ihr entgegen. 
    „Wie das duftet!“
    „Nicht wahr!“, Hannah tritt zu ihr auf die Terrasse. „He, Netty, wir brauchen noch einen Tannenbaum!“
    Einen Tannenbaum? Eigentlich waren das ja genau die Dinge, die Netty nicht wollte: Kein Tannenbaum, keine Deko, kein Gebäck, kein Menü! „Habt ihr etwa auch an ein Festessen gedacht?“, erkundigt sie sich misstrauisch.
    „Wir nicht, aber jemand anders.“
    Netty schaut sie skeptisch an.
    „Eric kümmert sich darum.“
    „Eric?“
    „Er hat es heute von sich aus angeboten. Er bereitet Rehbraten zu.“
    Netty kraust verwundert die Nase. Alles läuft so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat. Sie feiert Weihnachten mit ihren Nachbarinnen aus der Stadt und ihrem Nachbarn vom Land, mit denen sie noch bis vor drei Tagen kaum Kontakt hatte. Sie haben Gebäck und Essen, ohne dass sie sich um etwas zu kümmern braucht. Fehlt tatsächlich noch ein Baum. 
    „Sag mal, der Baum ... Dafür ist Eric doch auch der richtige Mann. Ich meine, wenn wir Weiber jetzt losziehen und uns hier im Wald einen mopsen, serviert Eric uns heute Abend bestimmt keinen Rehbraten ...“
    „Genau! Ich gehe gleich mal rüber und frage ihn“, schlägt Hannah vor. 
    „Ich hätte nicht gedacht, dass der so nett ist.“
    „Ja, und einen Mann, der freiwillig kocht, habe ich bisher auch noch nicht getroffen“, stimmt Hannah eifrig zu.
    „Was ist denn aus dem gutaussehenden, jungen Mann geworden, der dich in letzter Zeit öfters besucht hat? Nicht, dass ich neugierig erscheinen möchte ...“, schiebt Netty eilig hinterher, „aber ich bin ihm manchmal im Treppenhaus begegnet.“
    Puff! Hannahs hochaufgerichtete Gestalt sackt förmlich zusammen. Netty hat einen wunden Punkt erwischt, einen ganz wunden Punkt. Hannah lässt die Schultern hängen. „Der ..., ja der hat eine Andere. Wie immer!“ Wütend kickt sie einen umgestülpten Blumentopf zur Seite.
    „Wie immer? Was soll das bedeuten?“, bohrt Netty hartnäckig nach. 
    Hannah nestelt plötzlich verlegen an ihrem Schal herum. „Ach, die Kerle wollen ihren Spaß, und dann lassen sie mich hängen.“
    „Und du willst nicht nur Spaß?“
    „Doch natürlich auch. Aber ich hätte gerne was Festes. Dazu bin ich wohl einfach nicht interessant genug.“
    Netty lacht laut auf. „Du bist nicht interessant genug? Das ist ja wohl der Witz des Jahrhunderts. So eine hübsche, junge Frau wie du!“
    „Ja, ganz passabel schon. Es genügt aber nicht. Männer suchen was anderes. Hier oben ...!“ Hannah deutet auf ihre Stirn.
    „Du willst mir jetzt nicht weismachen, dass dich irgendjemand für dumm hält?“ Netty reißt erstaunt ihre Augen weit auf. „Und überhaupt, du studierst schließlich!“
    Hannah macht eine wegwerfende Bewegung. „Das Studium kotzt mich an, ich habe die Fächer schon mehrfach gewechselt. Ist mir alles viel zu theoretisch. Ich sitze nicht gerne in Büchern vergraben in einer Bibliothek und stopfe mir den Kopf mit Wissen aus längst vergangenen Zeiten voll. Deswegen ja auch die Sache mit den Männern ... Ich dachte, wenn ich einen finde, könnte ich das Studium schmeißen, der verdient das Geld. Meine Eltern sind zufrieden und ...“
    „Was ist denn das für eine Einstellung, Hannah? Das ist ja tiefstes Mittelalter. Kein Wunder, dass du so jeden Mann abschreckst. Du musst für dich selbst etwas tun, was dir Spaß macht. Du willst doch nicht lediglich das Anhängsel eines Mannes sein, das wird dich niemals glücklich machen.“ Ich predige hier über das Glück und habe selber einen Sack voller hausgemachter Probleme , denkt Netty im gleichen Moment.
    „Meinst du, ich will nachher so werden wie Linda!“
    Netty zieht die Augenbrauen hoch. „Wir sind alle wie Linda! Jede auf ihre Weise. Egal, wie viele Menschen wir um uns herum haben, einsam sind wir trotzdem.“   
    „Du hast gut reden! Hast einen Traumberuf, einen Mann und zwei Kinder.“
    „So einfach ist das alles auch nicht, wie es aussieht“, bemerkt Netty lahm.
    „Die Medienbranche finde ich spannend. Bloß, wer keine Beziehungen hat, bleibt draußen“, übergeht

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