Schneekuesse
muss sich ändern!“ Das Weinen hat ihr gut getan. Ein Kloß, der seit Langem ihre Kehle zudrückt, ist verschwunden. Sie kann wieder frei atmen. „Linda, wenn du das wirklich tun wolltest, wäre ich dir unendlich dankbar!“
Linda strahlt. „Wo ich schon selber nicht mehr Oma werden kann, würde mir das große Freude machen.“
„Das wird meinen Jungs gefallen. Wir werden dich als Oma Linda adoptieren!“ Netty hält ihren Teebecher in die Höhe und stößt mit Linda an. „Auf Oma Linda!“
„Auf Oma Linda!“, wiederholen die anderen.
Nach der Teestunde wird es geschäftig in Nettys kleinem Haus.
Linda wirbelt in der Küche umher, um ihre Schusterpastete zu machen. Sie stampft Kartoffelbrei, rollt Fleischklöße und ist dabei so froh, dass sie leise „Fröööhliche Weihnacht' überall ...“ vor sich hinsummt. Nun weiß sie, dass es weitergeht. Sie freut sich auf das neue Jahr.
Plötzlich hat sie einen Einfall: Sie wird ihre Wohnung renovieren lassen. Weg mit dem alten Kram! Sie wird sich einige neue Möbel kaufen – eine bunte Polstergarnitur wäre schön –, die Wände frisch streichen lassen ... Eine Spielecke will sie auch einrichten. Nettys Jungs sollen sich bei ihr wohlfühlen. „Oma Linda!“, wie das klingt. Hoffentlich werden die Jungs sie mögen. Ach was! Sie werden! Ich will nicht länger dieses zaudernde alte Weib sein! Es kommt nur darauf an, wie ich ihnen entgegengehe. Wenn ich den richtigen Ton finde, werden sie mich mögen!
Am Esstisch sitzen Hannah und Eric. Eric bügelt Strohhalme, aus denen Hannah später die Sterne zusammenbindet.
„Das ist schon mal eine gute Übung für dich!“, frotzelt Hannah.
„Im Bügeln bin ich Weltmeister! Oder was glaubst du, wer mir in den letzten Jahren die Hemden gebügelt hat“, gibt Eric zurück.
Hannah beugt sich zu ihm rüber und küsst ihn auf die Wange: „Ich weiß doch, dass du ein Volltreffer bist!“
Eric erwidert ihren Kuss: „Und du bist mein schönstes Weihnachtsgeschenk!“
Hannah ist gerührt. „Danke!“ Im nächsten Moment fährt sie von ihrem Stuhl hoch: „Geschenke? Wir haben ja gar keine Geschenke!“
„Ich glaube, wir haben uns alle gegenseitig genug Geschenke gemacht, oder?“, meint Linda.
Auch Netty ist zusammengezuckt. Sie hat alleine vor dem Ofen gesessen und ihren Gedanken nachgehangen.
Die anderen haben sie ganz bewusst in Ruhe gelassen. „Du tust jetzt mal gar nichts, außer hier zu sitzen. Entspanne dich!“, hat Hannah zu ihr gesagt.
Und Linda hat ihr frischen Tee eingeschenkt und einen Teller mit Keksen hingestellt.
Netty hat es genossen, einfach mal nichts zu tun und so umsorgt zu werden.
Aber nun, beim Stichwort „Geschenke“, wird sie unruhig. Sie sieht ihre Jungs vor sich, wie sie unterm Weihnachtsbaum die Geschenke auspacken, die sie Ulf hinterlassen hat. Sie werden sich wundern, dass ich einfach abgehauen bin. Und Ulf? Er hat zigmal versucht, mich auf dem Handy zu erreichen. Ob er mich vermisst?
Geschenke ... Netty hat eine Idee. „Hättet ihr etwas dagegen, wenn sich unsere Runde ein wenig vergrößert? Ich meine, Eric, würdest du noch mehr Menschen um dich herum heute Abend im Wald ertragen?“
„Na klar. Jetzt kommt es auch schon nicht mehr drauf an“, Eric hat an diesem Tag eindeutig seinen Humor wiedergefunden.
„Du!“, Hannah droht ihm mit dem Finger.
Linda, die gerade die Auflaufform einfettet, geht zu Nettys Platz am Ofen. „Hier!“, sie drückt Netty deren eigenes Handy in die Hand. „Wir sind noch nicht komplett. Es fehlen noch Menschen!“
Dankbar sieht Netty Linda an und schluckt.
Nervös wählt sie ihre eigene Nummer und läuft mit dem Telefon ins Schlafzimmer.
„Ja.“ Ulf klingt gehetzt. „Netty? Mein Gott, Netty, wo bist du? Ist dir was geschehen ...“, jetzt hat er offensichtlich ihre Nummer auf dem Display erkannt.
„Mir geht es gut, Ulf. Nein, besser als gut!“, Netty ist nun ganz ruhig.
„Wo steckst du? Kommst du nach Hause ...?“
„Ich bin unterwegs gewesen, um für euch ein besonderes Geschenk zu suchen.“
„Ein Geschenk? Aber hier sind doch jede Menge Geschenke. Mutter hat natürlich auch noch welche mitgebracht. Und Tante Rita hat ...“
„Ich meine, ein besonderes Geschenk. Es ist nur für dich und die Kinder!“
Ulf schweigt einen Moment. Wahrscheinlich glaubt er, Netty sei übergeschnappt oder betrunken oder ... „Netty, wir warten alle auf dich. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Warum bist du
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