Schneemann
Sommer zu heiraten.”
Magnus Skarre starrte auf das warme Wasser, das über seine Hände und dann ins Waschbecken lief. Wo es verschwand. Nein, es verschwand nicht, es war nur nicht mehr hier. Wie diese Menschen, über die er in den letzten Wochen so viele Informationen zusammengetragen hatte. Weil Harry ihn darum gebeten hatte. Weil Harry gesagt hatte, das Ganze könne noch eine andere Bedeutung haben. Und weil er Magnus’ Bericht bis zum Wochenende haben wollte. Was wiederum bedeutete, dass er Überstunden machen musste. Dabei wusste Magnus, dass Harry ihnen nur deshalb solche Aufgaben gab, damit sie in dieser Sauregurkenzeit aktiv blieben. Das kleine, dreiköpfige Team der Vermisstenstelle wollte diese alten Fälle nicht wieder ausgraben, sie hatten nicht die Zeit dafür.
Als er über den menschenleeren Flur zurück zu seinem Büro ging, bemerkte er, dass die Tür offen stand. Er war sich sicher, sie geschlossen zu haben, und außerdem war es schon nach neun Uhr, die Putzfrauen waren also längst fertig. Vor zwei Jahren hatten sie einmal Probleme mit Diebstählen gehabt. Magnus Skarre riss die Tür auf.
Katrine Bratt stand mitten im Zimmer und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, als wäre es ihr Büro, in das er gerade gestürmt war. Dann drehte sie ihm wieder den Rücken zu.
“Ich wollte nur mal sehen”, sagte sie und ließ ihren Blick über die Wand schweifen.
“Was sehen?” Skarre sah sich um. Sein Büro war genau wie alle anderen, nur mit dem Unterschied, dass es kein Fenster hatte. “Das war früher sein Büro, stimmt’s?”
Skarre zog die Stirn in Falten. “Was?”
“Hole. Das war all die Jahre sein Büro, oder? Auch während er diese Serienmorde in Australien bearbeitet hat?”
Skarre zuckte mit den Schultern. “Ich glaub schon. Wieso?” Katrine Bratt strich mit der Hand über die Tischplatte. “Warum hat er das Büro gewechselt?”
Magnus ging um sie herum und ließ sich auf den Stuhl fallen. “Es gibt kein Fenster. Und außerdem ist er Hauptkommissar geworden.”
“Und er hat dieses Büro zuerst mit Ellen Gjelten und dann mit Jack Halvorsen geteilt”, sagte Katrine Bratt. “Und beide wurden getötet.”
Magnus Skarre legte die Hände hinter den Kopf. Die neue Kommissarin hatte echt Klasse. Die spielte gut und gerne eine Liga über ihm. Er hätte wetten können, dass ihr Mann irgendein Chef war und reichlich Geld hatte. Ihr Kostüm sah teuer aus. Aber wenn man sie genauer betrachtete, fielen einem gewisse Unstimmigkeiten auf. Ein Schönheitsfehler, der nicht in Worte zu fassen war.
“Glaubst du, dass er ihre Stimmen gehört hat und deshalb umgezogen ist?”, fragte Bratt und studierte eine Norwegenkarte an der Wand, auf der Skarre in der Region 0stland die Heimatorte aller seit 1980 Vermissten eingekreist hatte.
Skarre lachte, ohne zu antworten. Sie hatte eine schmale Taille und ein leichtes Hohlkreuz. Er wusste, dass sie wusste, dass er sie betrachtete.
“Wie ist er eigentlich so?”, fragte sie.
“Warum fragst du?”
“Das will doch wohl jeder wissen, der gerade einen neuen Chef bekommen hat.”
Sie hatte recht. Es war nur so, dass er Harry Hole nie so richtig als Chef gesehen hatte. Okay, er gab ihnen gewisse Aufgaben und leitete die Ermittlungen, darüber hinaus erwartete er von ihnen aber nur, ihm nicht im Weg zu stehen.
“Wie du vielleicht weißt, ist er einigermaßen berüchtigt”, sagte Skarre.
Sie zuckte mit den Schultern. “Von seinem Alkoholproblem weiß ich, ja. Und dass er Kollegen angezeigt hat. Anscheinend wollten ihn alle loswerden, aber der vorige Kriminaloberkommissar soll eine schützende Hand über ihn gehalten haben.”
“Bjarne Moller war das”, sagte Skarre und blickte auf die Karte.
Auch um Bergen hatte er einen Kreis gezogen. Dort war Moller vor seinem Verschwinden zuletzt gesehen worden.
“Und dass die Leute hier im Haus es nicht mögen, wie die Medien ihn zu einer Art Popstar aufgebauscht haben.”
Skarre saugte an seiner Unterlippe. “Er ist ein verdammt guter Ermittler. Das zählt für mich.”
“Du magst ihn also?”, fragte Bratt.
Skarre grinste. Sie drehte sich um und sah ihn direkt an.
“Was heißt schon mögen?”, sagte er. “Ich will mich dazu nicht weiter äußern.”
Er schob den Stuhl nach hinten, legte die Beine auf den Tisch, streckte sich aus und tat so, als müsse er gähnen. ” Und was machst du so spät am Abend noch hier?”
Es war ein Versuch, wieder die Oberhand zu gewinnen. Schließlich
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