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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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nicht so gut aus. So glücklich.
    Als sie am Tisch war, umarmten sie sich, wobei er peinlich darauf achtete, sie zuerst loszulassen.
    “Was guckst du denn so?”, fragte sie, während sie sich den Mantel aufknöpfte.
    “Das weißt du doch”, antwortete Harry und hörte, dass er sich erst hätte räuspern sollen.
    Sie lachte leise, und dieses Lachen hatte die gleiche Wirkung wie der erste Schluck Jim Beam: Eine warme Ruhe breitete sich in ihm aus.
    “Nicht”, sagte sie.
    Er wusste genau, was dieses Nicht bedeutete. Fang nicht wieder an, erspar uns diese Peinlichkeiten, es gibt keinen Weg zurück. Sie hatte es leise gesagt, kaum hörbar, doch trotzdem fühlte es sich wie eine schallende Ohrfeige an.
    “Du bist dünn geworden”, stellte sie fest. “Haben mir schon mehrere gesagt.”
    “Ist unser Tisch … ? “
    “Der Kellner holt uns.”
    Sie nahm ihm gegenüber auf einem Barhocker Platz und bestellte einen Aperitif. Campari, natürlich. Harry hatte sie deshalb immer Cochenille genannt, nach dem natürlichen Pigment, das dem würzigen, süßen Likör die charakteristische Farbe gab. Und weil sie es liebte, sich knallrot zu kleiden. Sie selbst behauptete immer, das sei eine Warnfarbe. Auch Tiere würden ja starke Farben nutzen, um den anderen zu zeigen, dass sie besser Abstand hielten.
    Harry bestellte sich noch eine Cola.
    “Warum bist du so dünn geworden?”, fragte sie. “Pilze.”
    “Was?”
    “Die fressen mich vermutlich auf. Das Hirn, die Augen, die Lungen, die Konzentration. Saugen alle Farben aus meiner Erinnerung. Die Pilze wachsen, und ich verschwinde. Sie verwandeln sich in mich und ich mich in sie.”
    “Was redest du da?”, platzte sie mit einer angewiderten Grimasse hervor, aber Harry sah das Lächeln in ihren Augen. Sie hörte ihn gern reden, auch wenn er nur blödelte. Dann erzählte er ihr von der Schimmelattacke in seiner Wohnung.
    “Wie geht es euch? “, fragte Harry.
    “Gut. Bei mir ist alles in Ordnung, und Oleg geht es auch gut. Aber er vermisst dich.” “Hat er das gesagt?”
    “Du weißt, dass er das tut. Du solltest dich ein bisschen mehr um ihn kümmern, weißt du.”
    “Ich?” Harry starrte sie entgeistert an. “Aber das war doch nicht meine Entscheidung.”
    “Na und?”, sagte sie und nahm den Drink entgegen, den ihr der Barkeeper reichte. “Dass du und ich nicht mehr zusammen sind, bedeutet doch nicht, dass die Beziehung zwischen Oleg und dir nicht wichtig ist. Für euch beide. Keiner von euch beiden bindet sich gern an andere Menschen. Deshalb solltet ihr auf die wenigen, die ihr habt, gut aufpassen.”
    Harry nippte an seiner Cola. “Wie läuft es mit Oleg und deinem Arzt?”
    “Er heißt Mathias”, seufzte Rakel. “Sie arbeiten daran. Sie sind so … unterschiedlich. Mathias würde ja gerne, aber Oleg macht es ihm nicht gerade leicht.”
    Harry spürte, wie ihn das innerlich befriedigte. “Mathias arbeitet ja auch so viel.”
    “Ich dachte, du magst es nicht, wenn deine Männer so viel arbeiten”, sagte Harry und bereute es im gleichen Augenblick. Doch statt wütend zu werden, seufzte Rakel nur traurig:
    “Du hast nicht nur gearbeitet, Harry, du warst besessen. Du bist deine Arbeit, und was dich antreibt, ist nicht Liebe oder Verantwortungsbewusstsein oder Solidarität. Nicht einmal deine persönlichen Ambitionen. Es ist deine Wut, deine Rachsucht. Und das ist nicht richtig, Harry. Du weißt, was passiert ist.”
    Ja, dachte Harry. Ich habe diese Krankheit auch in dein Haus kommen lassen.
    Er räusperte sich: “Aber deinen Arzt, … den treiben die richtigen Dinge an, ja?”
    “Mathias macht noch immer die Nachtschichten in der Notaufnahrne. Freiwillig. Dabei hat er daneben auch noch sein volles Vorlesungsprogramm am Anatomischen Institut.”
    “Vergiss nicht, dass er auch noch Blut spendet und Mitglied bei Amnesty International ist.”
    Sie seufzte: “B Rhesus negativ ist eine seltene Blutgruppe, Harry. Und du unterstützt Amnesty schließlich auch, das weiß ich.”
    Sie rührte mit einem orangen Plastikstäbchen, auf dessen Spitze ein Pferd thronte, in ihrem Campari. Das Rot umspülte die Eiswürfel. Cochenille.
    “Harry?”, fragte sie.
    Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufmerken.
    “Mathias und ich werden zusammenziehen. In den Weihnachtsferien. “
    “So schnell?” Harry fuhr sich auf der Suche nach einem Rest Feuchtigkeit mit der Zunge über den Gaumen. “Ihr kennt euch doch gerade erst ein Jahr.”
    “Anderthalb. Wir überlegen uns, im

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