Schneemann

stimmt’s? Diese Krankheit, die Sie selbst geerbt haben.”
    Harry erkannte, dass er ziemlich gut getroffen haben musste, denn er sah, dass sich Støps Pupillen wieder weiteten.
    “Ich schätze, Vetlesen hat Ihnen erzählt, wie sehr wir ihn unter Druck setzten”, fuhr Harry fort. “Vielleicht hatten Sie Angst, er könnte mit der Wahrheit herausrücken? Oder hat er die Situation ausgenutzt und Gegenleistungen von Ihnen gefordert? Geld, zum Beispiel? “
    Der Redakteur starrte Harry ungläubig an und schüttelte den Kopf.
    “Wie auch immer, Støp, ganz offensichtlich hatten Sie eine Heidenangst davor, dass diese Vaterschaft publik werden könnte. Genug, um ein Motiv zu haben, die Einzigen zu töten, die Sie entlarven konnten: die Mütter und Idar Vetlesen. Das ist doch richtig, oder?”
    “Ich … ” Støps Blick flackerte. “Sie?”
    “Ich … habe nichts mehr zu sagen.” Støp beugte sich vor und stützte den Kopf auf die Hände. “Reden Sie mit Krohn.”
    “In Ordnung”, sagte Harry. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Doch er hatte noch eine letzte Karte im Ärmel. Und zwar eine Trumpfkarte: “Ich werde ihnen erzählen, dass Sie es gesagt haben.”
    Harry wartete. Støp blieb vornübergebeugt sitzen. Schließlich hob er den Kopf:
    “Wem >ihnen    “Na, der Presse natürlich”, entgegnete Harry leichthin. “Ich habe Grund zur Annahme, dass die uns wieder ausfragen werden, und zwar ziemlich gründlich, meinen Sie nicht? Wir haben es hier doch wohl mit einer … Sensationsstory zu tun … So nennen Sie das doch, oder?”
    Langsam schien es Støp zu dämmern.
    “Was wollen Sie ihnen denn erzählen? “, fragte er mit einem Tonfall, der vermuten ließ, dass er die Antwort bereits kannte.
    “Ein Prominenter glaubt, er hätte eine junge Frau zu sich nach Hause abgeschleppt, während es eigentlich genau umgekehrt war”, erwiderte Harry und studierte das Gemälde an der Wand hinter Støp. Es schien eine nackte Frau darzustellen, die über eine Linie balancierte. “Er geht irrtümlicherweise von einem Sexspielchen aus, als man ihn dazu überredet, eine Schweinemaske aufzusetzen, und genau so findet ihn dann die Polizei: nackt und heulend in der eigenen Badewanne.”
    “Aber das können Sie doch nicht preisgeben! “, rief Støp entsetzt. “Das … das … verbietet doch die Schweigepflicht!” “Tja”, erwiderte Harry. “Das verbietet vielleicht das Image, das Sie sich aufgebaut haben, Støp. Aber meine Schweigepflicht nicht. Eher im Gegenteil.”
    “Im Gegenteil?” Støp schrie beinahe. Sein Zähneklappern hatte aufgehört, und auch seine Wangen bekamen langsam wieder Farbe.
    Harry räusperte sich: “Mein einziges Kapital und Produktionsmittel ist meine persönliche Integrität.” Harry wartete, bis er sah, dass Støp seine eigenen Worte wiedererkannt hatte. “Und für mich als Polizist bedeutet das unter anderem, dass ich die Öffentlichkeit informieren muss, auf jeden Fall so weit, wie es den Ermittlungen nicht schadet. In diesem Fall sollte das möglich sein.”
    “Das können Sie nicht tun”, stöhnte Støp. “Ich kann, und ich werde.”
    “Das … das wird mich zugrunde richten.”
    “Etwa so wie die Person, die jede Woche auf der Titelseite ihrer Zeitschrift zugrunde gerichtet wird?”
    Støp öffnete und schloss den Mund wie ein Aquarienfisch. “Aber natürlich”, ergänzte Harry, “natürlich können auch Menschen mit persönlicher Integrität für Kompromisse offen sein.”
    Støp sah Harry lange an.
    “Ich hoffe, Sie verstehen”, fuhr Harry fort und schmatzte mit den Lippen, um sich an den genauen Wortlaut zu erinnern: “Dass ich als Vertreter der Polizei die Pflicht habe, diese Situation auszunutzen. “
    Støp nickte langsam.
    “Beginnen wir mit Birte Becker”, schlug Harry vor. “Wie haben Sie sie kennengelernt?”
    “Ich glaube, das reicht dann”, hörten sie eine Stimme hinter sich.
    Sie drehten sich zur Tür. Es sah tatsächlich so aus, als hätte Krohn es geschafft, vor seinem Kommen noch zu duschen, sich zu rasieren und sein Hemd zu bügeln.
    “0kay.” Harry zuckte mit den Schultern. “Holm!”
    Bjorn Holms sommersprossiges Gesicht tauchte in der Türöffnung hinter Krohn auf.
    “Ruf doch gleich mal Odin Nakken von der VG an”, beauftragte ihn Harry und wandte sich dann wieder zu Støp: “Ist es okay, wenn ich Ihnen diese Sachen erst im Laufe des Tages wiederbringe? “
    “Warten Sie”, bat Støp.
    Es war still im Raum, als Arve Støp beide Hände hob