Schneemann
blass, doch sie hielt seine Hand überraschend fest.
“Sylvia Ottersen “, stellte sie sich mit einem etwas dümmlichen Grinsen vor. “Ich bin eine große Bewunderin, ich musste Ihnen einfach die Hand geben.”
Das erste Mal hatte er Sylvia Ottersen an einem warmen Sommertag in ihrem Laden Taste of Africa getroffen. Sie sah gewöhnlich aus. War aber verheiratet.
Arve Støp betrachtete die afrikanischen Masken und fragte irgendetwas, damit die Situation nicht noch peinlicher für ihn wurde. Doch er spürte, dass die Frau neben ihm erstarrt war, als ihm Sylvia Ottersen die Hand drückte. Marita hatte sie geheißen. Oder Marite? Auf jeden Fall hatte sie darauf bestanden, ihn mit in diesen Laden zu nehmen, um ihm ein paar Zebrafell-Kissen zu zeigen, die er unbedingt für sein Bett kaufen musste, aus dem sie gerade aufgestanden waren. Er durfte nur ja nicht vergessen, später die langen blonden Haare zu entfernen, die auf dem Laken hängen geblieben waren.
“Zebra haben wir nicht mehr”, bedauerte Sylvia Ottersen. “Aber wie wäre es mit diesen hier?”
Sie ging zu einem Regal am Fenster, und das Licht fiel auf ihren Rücken und ihren Hintern, der eigentlich gar nicht so schlecht war, wie Støp feststellen konnte. Aber ihre langweiligen braunen Haare waren struppig und tot.
“Was ist das?”, fragte die Frau mit M. “Gnu-Imitat.”
“Imitat”, schnaubte M. und warf ihre blonden Haare über die Schulter. “Dann warten wir lieber, bis Sie wieder Zebra kriegen.” “Das Zebrafell war auch ein Imitat”, erklärte Sylvia und lächelte, wie man Kinder anlächelt, wenn man ihnen erklärt, dass es doch keinen Osterhasen gibt.
“Tja dann”, sagte M., lächelte gezwungen mit ihren rotgemalten Lippen und hakte Arve unter. “Danke fürs Zeigen.”
M.s Idee, sich gemeinsam in der Öffentlichkeit zu präsentieren, hatte ihm gar nicht gefallen, und noch weniger gefiel ihm die Art, wie sie sich bei ihm eingehakt hatte. Vielleicht spürte sie seinen Widerwillen sogar, denn als sie vor dem Laden standen, ließ sie ihn los. Er sah auf die Uhr.
“Oje, ich habe noch eine geschäftliche Verabredung.”
“Ich dachte, wir gehen zusammen essen?” Sie sah ihn mit leicht überraschtem Gesichtsausdruck an und überspielte ihre Gekränktheit.
“Ich ruf dich vielleicht an”, behauptete er.
Sie rief ihn an. Schon dreißig Minuten, nachdem er auf der Bühne des Sentrum gestanden hatte. Sein Taxi tuckerte gerade hinter einem Räumfahrzeug her, das schmutzigen Schnee an den Straßenrand schob.
“Ich war die Frau, die direkt vor Ihnen saß”, erklärte sie. “Ich wollte Ihnen nur noch mal für den Vortrag danken.”
“Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr angestarrt”, rief er triumphierend durch das kratzende Geräusch der Stahlschaufel auf dem Asphalt.
Sie lachte leise.
“Haben Sie schon Pläne für den Abend?”, fragte er.
“Tja”, meinte sie. “Nichts, das man nicht ändern könnte … ” Eine angenehme Stimme, angenehme Worte.
Den Rest des Nachmittags lief er herum und dachte an sie, er phantasierte davon, sie auf der Kommode im Flur zu nehmen, so dass ihr Hinterkopf gegen das Gerhard-Richter-Gemälde knallte, das er in Berlin gekauft hatte. Irgendwie fand er, dass dieses Warten das Beste von allem war.
Um acht Uhr klingelte sie. Er wartete oben im Flur. Hörte das mechanische Klicken des Aufzugs, das wie das Durchladen einer Waffe klang, gefolgt von einem immer lauter werdenden Summen. Das Blut pochte in seinem Schwanz.
Und dann stand sie da, und er fühlte sich, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige gegeben.
“Wer sind Sie denn?”, fragte er.
“Stine”, erwiderte sie, und eine leichte Verwirrung breitete sich auf ihrem lächelnden, fleischigen Gesicht aus. “Ich hatte vorhin angerufen … “
Er musterte sie von Kopf bis Fuß und dachte tatsächlich einen Moment lang über diese neue Möglichkeit nach, denn manchmal erregte ihn auch das Gewöhnliche und wenig Attraktive. Aber er spürte seine schwindende Erektion und schob den Gedanken wieder beiseite.
“Es tut mir leid, aber ich konnte Ihnen nicht mehr Bescheid geben”, log er. “Ich bin gerade zu einer dringenden Sitzung gerufen worden.”
“Eine Sitzung? “, wiederholte sie und konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
“Eine Krisensitzung. Ich rufe Sie später eventuell noch an.”
Er blieb hinter der Tür stehen und hörte, wie sich die Aufzugtüren schlossen und wieder öffneten. Dann begann er zu lachen, bis
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