Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
meinte der Gynäkologe, “das vererbt sich nämlich verdammt gern, weißt du.”
    “Hole ist gar nicht der Vater des Jungen”, erwiderte Gabriella. “Interessanterweise ist aber der Mann, der als Vater angegeben ist - ein russischer Professor oder so etwas in Moskau -, ebenfalls Alkoholiker. “
    “Hey, das habe ich jetzt aber nicht gehört”, versuchte Idar Vetlesen das Lachen zu übertönen. “Denkt bitte mal an eure Schweigepflicht, Leute.”
    Sie aßen weiter, aber Mathias konnte nicht vergessen, was Gabriella gesagt hatte, oder besser, wie sie es gesagt hatte: “Der Mann, der als Vater angegeben ist.”
    Als die Pause zu Ende war, folgte er deshalb der Kinderärztin in ihr Büro und schloss die Tür hinter sich.
    “Darf ich dich was fragen, Gabriella?”
    “Oh, hallo”, sagte sie, wobei ihr eine erwartungsvolle Röte ins Gesicht schoss. Mathias wusste, dass sie ihn mochte und ihn vermutlich hübsch, freundlich, einfühlsam und humorvoll fand. Sie hatte ihn sogar mehrmals indirekt aufgefordert, doch mal mit ihr auszugehen, allerdings ohne Erfolg.
    “Wie du vielleicht weißt, brauche ich für meine Doktorarbeit eine ganze Reihe von Blutproben”, begann er. “Und dabei bin ich tatsächlich auch über die Blutprobe dieses Jungen gestolpert, von dem du gesprochen hast. Dieser Sohn von Holes Geliebten.”
    “Wenn ich richtig informiert bin, sind die aber gar nicht mehr zusammen. “
    “Tatsächlich? Wie auch immer, diese Blutproben deuten auf ein paar erbliche Geschichten hin, weshalb ich mich für die Verwandtschaftsverhältnisse interessiere … “
    Mathias glaubte eine gewisse Enttäuschung in ihrem Gesicht zu lesen.
    Er selbst war ganz und gar nicht enttäuscht von diesem Gespräch. “Danke”, sagte er, stand auf und ging hinaus. Dabei spürte er sein Herz lebendig und kraftvoll schlagen, und seine Füße schienen ihn zu tragen, als wäre er schwerelos. Vor Freude leuchtete er wie eine glühende Schneideschlinge, denn er wusste: Das war der Anfang. Der Anfang vom Ende.
     
    Der “Freundeskreis Holmenkollen” veranstaltete sein Sommerfest an einem brennend heißen Augusttag. Auf dem Rasen vor dem Gemeinschaftshaus saßen die Erwachsenen auf Campingstühlen unter Sonnenschirmen und tranken Weißwein, während die Kinder zwischen den Tischen herumtollten oder unten auf dem Sportplatz Fußball spielten. Trotz der riesigen Sonnenbrille, die ihr Gesicht beinahe verdeckte, erkannte Mathias sie wieder, er hatte sich von der Homepage ihres Arbeitgebers ein Bild heruntergeladen. Sie stand etwas abseits, und er ging zu ihr und fragte sie mit einem schüchternen Lächeln, ob er eine Weile neben ihr stehen und so tun dürfte, als würde er sie kennen. Inzwischen wusste er, wie man so etwas anstellt. Er hatte viel gelernt - der Puppenmathias war längst Vergangenheit.
    Als sie die Brille absetzte und fragend zu ihm aufblickte, konnte er nur feststellen, dass das Foto gelogen hatte. In Wirklichkeit war sie viel hübscher. So hübsch, dass er einen Augenblick lang dachte, Plan A könnte doch eine Schwachstelle haben: Es war durchaus denkbar, dass sie ihn gar nicht wollte, dass eine Frau wie Rakel - alleinerziehende Mutter hin oder her - Alternativen hatte. Plan B endete zwar genauso wie Plan A, war aber bei weitem nicht so befriedigend.
    “Sozialängste” , erklärte er und hob den Plastikbecher zu einem gequälten Gruß. “Ein Freund aus der Nachbarschaft hat mich eingeladen, aber der ist bis jetzt nicht aufgetaucht. Und alle anderen scheinen sich zu kennen. Ich verspreche, sobald er kommt, werde ich sofort wieder verschwinden.”
    Sie lachte. Er mochte ihr Lachen. Und wusste, dass die kritischen ersten drei Sekunden zu seinen Gunsten ausgefallen waren. 
    “Mir ist da unten eben ein Junge aufgefallen, der ein Supertor geschossen hat”, fuhr Mathias fort. “Ich könnte wetten, der ist ziemlich eng mit Ihnen verwandt.”
    “Ach ja? Kann sein. Vielleicht war das Oleg, mein Sohn.”
    Sie ließ sich nichts anmerken, doch Mathias wusste aus unzähligen Patientengesprächen, dass es keine Mutter kaltlässt, wenn man ihre Kinder lobt.
    “Ein schönes Fest”, bemerkte er. “Nette Nachbarn.” “Feiern Sie gerne mit den Nachbarn anderer Leute?”
    “Ich glaube, meine Freunde haben Angst, dass ich mich im Moment etwas einsam fühlen könnte”, antwortete er. “Sie versuchen nur, mich aufzumuntern. In diesem Fall mit ihren wohlgeratenen Nachbarn.” Er nahm einen Schluck aus dem Plastikbecher und schnitt

Weitere Kostenlose Bücher