Schneemann
um ein weiteres Treffen. Sie schlug vor, dass er sie am nächsten Abend anrief, während sie allein zu Hause war.
Stattdessen fuhr er direkt zu ihr, fand sie in der Scheune und erledigte die Sache sofort.
Aber um ein Haar wäre es schiefgegangen.
Diese verrückte Frau hatte das Beil nach ihm geschleudert, ihn an der Seite getroffen, die Jacke und sein Hemd aufgeschlitzt und eine Arterie durchtrennt, so dass sein Blut auf den Boden der Scheune spritzte. Sein B-Rhesus-negativ-Blut. Das nur zwei von hundert Menschen hatten. Sobald er sie im Wald getötet und ihren Kopf auf den Rumpf des Schneemanns gelegt hatte, ging er noch einmal zurück und vertuschte seine eigenen Blutspuren, indem er ein Huhn tötete und an dieser Stelle ausbluten ließ.
Es war ein anstrengender Tag, doch seltsamerweise verspürte er an diesem Abend keine Schmerzen. In den nächsten Tagen verfolgte er die Sache in den Zeitungen mit innerlichem Jubel. Der Schneemann. Diesen Namen hatten sie ihm gegeben. Einen Namen, der in Erinnerung bleiben würde. Er hatte ja nicht geahnt, dass ein paar gedruckte Buchstaben in einer Zeitung ihm ein derartiges Gefühl von Macht und Bedeutung schenken würden. Fast bereute er, all dieJahre im Verborgenen gearbeitet zu haben. Und es war so leicht gewesen! Er hatte tatsächlich die ganze Zeit an die Worte von Gert Rafto geglaubt, ein guter Ermittler fand den Mörder immer. Doch als er Harry Hole traf, fiel ihm nur die Frustration in dem erschöpften Gesicht des Polizisten auf. Es war das Gesicht eines Mannes, der nichts verstand.
Daher traf es Mathias wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als Harry seinen nächsten Schachzug vorbereitete: Idar Vetlesen. Der rief ihn an und erzählte, Hole habe ihn aufgesucht, Fragen über Arve Stop gestellt und ihn selbst mit der Sache in Verbindung gebracht. Auch Idar fragte sich, wie das angehen konnte. Die Wahl der Opfer konnte unmöglich Zufall sein. Abgesehen von Stop und Idar war Mathias der Einzige, der die Familienverhältnisse kannte, immerhin hatte er ihm ja bei der Diagnose geholfen.
Idar war natürlich schrecklich aufgeregt, aber Mathias behielt einen klaren Kopf, bat ihn, Stillschweigen zu bewahren und ihn an einem Ort zu treffen, an dem sie mit Sicherheit ungestört waren.
Mathias begann bei diesen Worten vor Anspannung fast zu lachen, schließlich war das genau die Falle, in die er auch seine weiblichen Opfer gelockt hatte.
Idar schlug die Räumlichkeiten des Curlingclubs vor. Mathias legte auf und überlegte.
Letzlich kam er zu dem Schluss, dass er es tatsächlich so aussehen lassen konnte, als sei Idar der Schneemann. Auf diese Art konnte er sich selbst ein bisschen mehr Ruhe für seine weitere Arbeit verschaffen.
Die nächsten Stunden verwendete er auf die detaillierte Planung von Idars Selbstmord, und obwohl er seinen Freund in vielerlei Hinsicht schätzte, fand er diese Gedanken seltsam erregend und inspirierend. Wie auch die Planung seines großen Projekts. Der letzte Schneemann. Sie sollte - wie er selbst am Tag des ersten Schnees vor vielen Jahren - auf den Schultern des Schneemanns sitzen, die Kälte zwischen ihren Schenkeln spüren und durch das Fenster den Verrat sehen, den Mann, der ihren Tod bedeutete: Harry Hole. Er schloss die Augen und sah die Schlinge über ihrem Kopf. Sie glühte und glänzte. Wie ein falscher Heiligenschein.
KAPITEL 34
21. Tag. Sirenen
In der Garage des Anatomischen Instituts stieg Harry in seinen Wagen. Schloss die Tür und die Augen und versuchte, die Gedanken in seinem Kopf zu ordnen. Als Erstes musste er herausfinden, wo Mathias war.
Da er die Nummer im Handy gelöscht hatte, musste er die Auskunft anrufen, um Adresse und Telefonnummer zu bekommen. Als er die Ziffernfolge eingegeben hatte und dem Freizeichen lauschte, spürte er, wie rasch und erregt sein Atem ging. Er holte tief Luft und versuchte, sich wieder etwas zu beruhigen.
“Hallo, Harry. ” Mathias’ Stimme war leise, klang aber freundlich überrascht, wie immer, wenn er ihn anrief.
” Tut mir leid, dass ich dir so auf der Pelle rücke”, begann Harry. “Aber das macht doch nichts, Harry.”
“Gut. Wo bist du gerade?”
“Ich bin zu Hause. Ich wollte gerade runter zu Rakel und Oleg.” “Schön. Ich hab nämlich überlegt, ob nicht doch du Oleg dieses Geschenk geben könntest.”
Es entstand eine Pause. Harry biss die Zähne so fest zusammen, dass es knirschte.
“Natürlich”, meinte Mathias. “Aber Oleg ist jetzt zu Hause, du könntest es
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