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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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dachte an Maria – wieder einmal – und daran, wie sie sich gestritten hatten und er versuchte sich klar zu machen, wie es nur soweit hatte kommen können. Es war ihm klar, dass der Auslöser für dies alles, das war, was Daniel und er in den Kellern erlebt hatten – oder was sie geglaubt hatten zu erleben. Er dachte nach über die Möglichkeit, dass sie tatsächlich so etwas wie einer Illusion erlegen waren. Aber die Eisentüre mit dem dahinterliegendem Raum, der geröllübersäte Abhang, die Höhle mit den Malereien – das alles war so real gewesen, dass er sich an jedes einzelne Detail erinnern konnte.
    Er setzte sich auf, beugte sich vor und stütze seinen Kopf auf die Hände, die Ellenbogen auf seine Knie gesetzt. Und zum ersten Mal trat er bei seinen Überlegungen einen Schritt zurück und versuchte diese ganze Geschichte aus Sicht von Maria, Ben und den Anderen zu betrachten. Daniel hatte sie, verstört und aufgelöst, in diesen vermeintlich hintersten Kellerraum geführt, wo er selbst, mehr tot als lebendig, gelegen hatte. Keiner von den Anderen hatte die Höhle und all das gesehen. Nein, nicht einmal die Eisentüre, der Zugang zu dieser Wunderwelt, war vorhanden. Was würde er wohl denken, wenn er an Stelle von Ben oder Maria wäre? Er wäre sich selbst wahrscheinlich nicht mal so weit, wie vor allem Maria es getan hatte, entgegengekommen, sondern hätte sich in Bausch und Bogen für durchgeknallt erklärt. Was also warf er Maria wirklich vor?
    Er schüttelte den Kopf über sich selbst, sein Verbohrtheit und sein blasiertes Gehabe. Sie hatte letztlich nur sein Ego gekränkt, in dem sie ihm nicht sofort und uneingeschränkt Glauben geschenkt hatte. Und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als sie für ihre berechtigten Zweifel als
Verräterin
zu beschimpfen. Als er sich jetzt auch noch sein dämliches Machogehabe vor Augen führte, mit dem er sich schließlich die Ohrfeige eingehandelt hatte, musste er ihrer Selbstbeherrschung allen Respekt zollen und war heilfroh, dass sie ihm nicht einen Tritt in den Unterleib verpasst hatte. Trotz all dieser Erkenntnisse kam es ihn schwer an, dass sie so uneingeschränkt und vorbehaltlos Recht hatte und er genau so umfassend im Unrecht war.
    Warum nur behielten Frauen bei so was immer den besseren Überblick und Männer – oder zumindest er – lagen immer so hoffnungslos daneben?
    Wie auch immer – Selbsterkenntnis war bekanntlich der erste Weg zur Besserung und so brauchte er nur noch einen Möglichkeit zu finden, sich beiihr zu entschuldigen, ohne wieder gleich alles zu versauen.
    Bei diesem Gedanken hatte er plötzlich einen Knoten im Hals.
    Und noch etwas machte ihm zu schaffen. Zwar hatte er, durch eine gehörige Portion Mut zur Selbstkritik, erkannt, wo er gegenüber Maria und auch den Anderen, Fehler gemacht hatte. Doch dadurch wurde das Problem der Existenz der Höhle und allem, was damit zusammenhing, in keiner Weise klarer.
    Lukas stand auf und marschierte, die Hände tief in den Hosentaschen versenkt und mit gesenktem Kopf, weiter in den Wald hinein. Er wurde das ungute Gefühl nicht los, dass die – realen oder eingebildeten – Erlebnisse in der Höhle und seine schemenhaften Träume in direktem Zusammenhang standen. Und er konnte sich keinen Reim darauf machen, was das mit ihm zu tun haben könnte. Das Rauschen des knöcheltiefen Laubes, durch das er stapfte, begleitete ihn und als er sich das nächste Mal bewusst umsah, bemerkte er, dass er sich dem schlossähnlichen Hauptgebäude des Instituts von der Hangseite her näherte. Für einen Augenblick war er verblüfft, da ihm nicht bewusst war, so weit gegangen zu sein. Dann sah er sich etwas genauer um und erkannte, dass auf dieser Seite scheinbar kein Zugang zu dem Gebäude vorhanden war. Er überlegte kurz, ob er den Weg, den er gekommen war wieder zurückgehen sollte, entschied sich jedoch dann anders und ging weiter auf das riesige Gebäude zu. Als er näher kam, sah er plötzlich doch eine kleine Pforte, versteckt in einer Mauernische, auf die ein schmaler, bekiester Weg zuführte. Die Pforte erwies sich als äußerst robuste Eichenholzkonstruktion und – als verschlossen. Gerade als Lukas nach mehrmaligem Rütteln resigniert aufgeben und den Rückmarsch antreten wollte, sprach ihn von hinten jemand überraschend an.
    »Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«
    Lukas erschrak, drehte sich ruckartig um und stand einem drahtigen, kleinen Mann, Mitte Dreißig wie es schien, mit dunklem, struppigen

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