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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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einfach zu
behaupten
: ja ich versteh Dich, auch wenn man keinen Schimmer hat, was in dem Anderen vorgeht. Es geht doch darum, einander zu vertrauen, auch – oder gerade wenn – man anderer Auffassung oder Anschauung ist.«
    Sie sah in an und suchte nach Anzeichen in seiner Miene, dass er verstand, worum es ihr ging. Doch Lukas sah nur, dass sie sich anscheinend ausgetobt hatte und tat das Falscheste, was in dieser Situation überhaupt möglich war.
    »Du bist so süß, wenn Du wütend bist«, sagte er zu ihr und versuchte sie zu küssen.
    Bevor er überhaupt wusste, wie ihm geschah, hatte er sich eine schallende Ohrfeige eingefangen. Und noch bevor er sich wieder darüber im Klaren war, wo er sich befand, war Maria mit zornrotem Gesicht und, für ihn, unverständlichen, spanischen Flüchen auf den Lippen, aus dem Zimmer gestürmt und hatte die Türe mit einem lauten Knall ins Schloss geworfen. Lukas stand noch eine ganze Weile, sich die Backe reibend, auf der sich Maria’s Hand kräftig rot abzeichnete, wie ein begossener Pudel da und überlegte, wo er um Himmels Willen bloß die Abfahrt auf diesem Highway in die Katastrophe, verpasst hatte.
    Lukas machte die nächsten Tage mehrmals den Versuch, sich bei Maria zuentschuldigen und scheiterte jedes Mal kläglich. Wenn ihm bisher nicht klar war, dass südländische Frauen sehr nachtragend sein können – jetzt wusste er es. Tagsüber litt er, wenn er Maria begegnete, ihre Zurückweisung spürte und sich dadurch immer mehr nach ihr verzehrte und nachts plagten ihn seine Träume.
    Langsam zehrte dieser Zustand sehr an Lukas Substanz und je mehr er Hilfe gebraucht hätte, umso weniger war er dazu in der Lage sich jemandem anzuvertrauen. Auch Ben – und sogar Daniel – fanden kaum mehr Zugang zu ihm und ließen ihn schließlich genervt über seinen düsteren Gedanken brüten.
    Nach dem Mittagessen an diesem Sonntag, welches sich vor allem dadurch auszeichnete, dass alle Anwesenden verbissen versuchten, ja kein ernstes Gespräch aufkommen zu lassen, verließ Lukas, alleine und deprimiert, das Gästehaus, auf der Suche nach ein wenig frischer Luft, um seine Gedanken zu ordnen. Er schlug die Richtung zu einem der markierten Wanderwege ein und marschierte gedankenverloren und mit hochgeschlagenem Jackenkragen durch die spätherbstlich bunten Wälder. Was war nur mit ihm geschehen in diesen letzten Wochen?
    Gerade dass Ben ihn mit dieser Arbeit aus seinem alten, verkorksten Leben herausgeholt und ihm gezeigt hatte, dass es auch für ihn noch Glück, Freundschaft und Liebe gab, bedrückte ihn jetzt, da er diese Dinge wieder zu verlieren schien, besonders. Er fühlte sich wie ein blind Geborener, dem durch einen ärztlichen Kunstgriff das Augenlicht wieder geschenkt worden war, nur um es jetzt wieder Stück für Stück zu verlieren und der zurückblieb mit der Bitterkeit in der Seele, dass er jetzt erst wusste, was er verloren hatte.
    Er marschiert beständig bergauf, kam langsam außer Atem und verwünschte sich wieder einmal dafür, nicht mehr für seine Ausdauer und Kondition zu tun. Schließlich trat er aus dem Wald heraus auf eine kleine, sonnenbeschienen Lichtung und sah sich zum ersten Mal, seit er losmarschiert war, richtig um. Er befand sich auf einem kleinen Berg, der sich über die umgebenden Wälder erhob und ihm den Blick freigab, über die Baumwipfel hinweg, Richtung Osten. Eine kühle Brise wehte über das Land und trug Blätter in satten Gold-, Braun- und Rottönen durch die Luft. Am Himmel zogen weiße, ausgefranste Wolkenstreifen in dieselbe Richtung und zauberten in jedem Augenblick neue, phantastische Gebilde ans Firmament, die schon wieder zerflossen, kaum dass sie sich gebildet hatten. Vor ihm breitete sich die Hügellandschaft des Bayerischen Waldes aus und ließ die Wälder in strahlend, bunten Farben endlos erscheinen.
    Am Rande der Lichtung stand unter einer großen Buche eine Bank und Lukas ging hinüber, um sich darauf niederzulassen. Er lehnte sich zurück, streckte die Beine von sich und legte die Arme, weit ausgebreitet, auf dieRückenlehne der Bank und fand an diesem sonnigen Spätherbsttag das erste mal, seit langer Zeit wieder so etwas wie Frieden. Die ruhige Bedächtigkeit des endenden Jahres ergriff langsam von ihm Besitz und durchdrang ihn, wie die Wärme eines Holzfeuers. Lange saß er so da und betrachtete die Baumwipfel, die sich bis zum Horizont erstreckten und dort mit dem weiß und grau und blau durchzogenen Himmel verschmolzen. Er

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