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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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raunte ihm hinter vorgehaltener Hand zu:
    »Deshalb sind wohl auch ein paar Sachen darin zu finden, die wir im Priesterseminar nicht gelesen haben und die mein Bischof vielleicht nicht sehen sollte.«
    Lukas konnte sich nun ein aufrichtiges Grinsen nicht verkneifen und er musste sich eingestehen, dass ihm der junge Priester nicht unsympathisch war.
    »Also ich verrate Sie nicht, versprochen«, erklärte er Pater Stefan deshalb.
    Sie unterhielten sich noch geraume Zeit über die unterschiedlichsten Dinge und Lukas wurde, da er sich wirklich wohl fühlte, immer offener. In der Zwischenzeit waren sie bei einer guten Flache Wein angekommen und Lukas schmunzelte über Pater Stefan, der auch den weltlichen Genüssen nicht gänzlich abgeneigt schien, was seine Kenntnis über Weine, die er zum Besten gab, bewies. Sie prosteten sich zu und Pater Stefan schien, nachdem er einen Schluck genommen hatte, nachzudenken.
    »Herr Seger«, sagte er schließlich. »Darf ich Sie mal etwas ganz Persönliches fragen?«
    »Aber bitte«, erwiderte Lukas
    »Ich habe Sie in meiner Kirche bisher noch nicht gesehen. Hat das einen bestimmten Grund?«
    Damit hatte er Lukas kalt erwischt. Es dauerte einige Augenblicke, bis er die Frage, die ihm Pater Stefan gestellt hatte, richtig verstand. Doch dann stieg allmählich Zorn in ihm auf. Hatte dieser
Gottesmann
ihn mit dem ganzen Gesülze nur eingewickelt, um ihm, ob seiner
Ungläubigkeit,
ins Gewissen zu reden? Er hatte jedenfalls keine Lust, sein Innerstes vor diesem Mann auszubreiten, nur weil dieser sich zum Glaubensspezialisten berufen fühlte. Sofort wurde er dem Priester gegenüber reservierter und sah ihn lauernd an.
    »Ach wissen Sie, ich bin noch nie ein großer Kirchgänger gewesen«, erklärte er seinem Gegenüber ausweichend.
    Pater Stefan sah ihn über den Rand seines Weinglases hinweg abschätzend an.
    »Verzeihen Sie mir meine Hartnäckigkeit, aber würden Sie denn sagen, dass Sie grundsätzlich an Gott glauben?«
    Lukas wurde immer wachsamer, da er nicht wusste worauf der Kirchenmann überhaupt hinauswollte. War es einfach nur eine anerzogene, penetrante Art Gläubige zu requirieren, oder steckte da mehr dahinter? Jedenfalls hatte er nicht vor, sich von dem Priester, so mir nichts, dir nichts, in die Karten schauen zu lassen. Also entschloss er sich für die Flucht nach vorne.
    »Warum glauben
Sie
an Gott, Pater?«
    Pater Stefan lächelte. »Eine gute Frage, Herr Seger. Ich glaube an Gott, weil ich sein Wirken und seine Liebe tagtäglich in vielen Kleinigkeiten, Augenblicken, Gesten und Worten spüre.«
    Lukas nickte und hielt kurz inne, bevor er den Priester aufmerksam fixierte. »Und wo ist Gott Ihrer Meinung nach, wenn Bomben in sinnlosen Kriegen auf die Köpfe Unschuldiger fallen? Wo ist er, denken Sie, wenn Kinder missbraucht und getötet werden? Und wo war er zum Beispiel, als der Tsunami in Südostasien Tausende in den Tod riss?«
    Lukas redete sich allmählich in Rage und wurde langsam eingeholt von der Erinnerung an den Tod seiner Familie. Und bevor er richtig wusste wie ihm geschah, brach sich sein größter Vorwurf an Gott Bann.
    »Und wo, Pater Stefan, glauben Sie, war Gott, als meine Frau und meine Tochter für
meinen
Fehler und für
meinen
Leichtsinn in den Tod gehen mussten?«
    Pater Stefan hatte sein Glas beiseite gestellt und saß, die Hände vor der Brust verschränkt, in seinem Sessel und wartete geduldig, bis Lukas mit seiner Anklage gegen ihn und
seinen
Gott geendet hatte. Als er sicher war, dass Lukas, der den Blick abgewandt hatte und angestrengt zum Fenster hinaus sah, um seine Tränen zu verbergen, sich seine Leiden und Zweifel von der Seele geredet hatte, sagte er leise und ruhig:
    »Sie haben recht, Herr Seger, das sind berechtigte Fragen. Und ich muss Ihnen gestehen, dass ich Ihnen auf keine dieser Fragen eine befriedigende Antwort geben kann. Ich kann es nicht, weil ich nicht weiß, was Gott mit mir oder mit Ihnen oder mit all den Anderen Menschen vorhat.«
    Er ließ dieses Eingeständnis für wenige Minuten im Raum stehen.
    »Gott hat uns in diese Welt gestellt, mit allen ihren Licht- und Schattenseiten. Und er hat uns die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit gegeben, uns jeden Tag und immer wieder aufs Neue zu entscheiden.«
    Lukas sah ihn nun, immer noch mit wässrigen Augen, wieder an. Er hatte nicht vor, den Pater mit einer einfachen
Vertrau-auf-Gott-Frase
aus der Verantwortung zu lassen. Aufmerksam hörte er sich die Erklärungen des Priesters an,

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