Schneemond (German Edition)
Haar und listigen Augen gegenüber. Der Mann trug eine dunkelblaue Jacke und schwarze Hosen und hatte auffallend rote Backen, was von einem längeren Sparziergang herzurühren schien.
»Äh, nun ja«, versuchte Lukas eine Erklärung zusammen zu stottern, da er sich seltsamerweise fühlte, als hätte er etwas Verbotenes getan. »Ich bin spazieren gegangen und hab mich wohl ein bisschen verfranst. Jedenfalls bin ich jetzt hier gelandet und wollte nachsehen, ob es noch eine Alternative zu dem Marsch zurück, auf dem Weg, auf dem ich hergekommen bin, gibt.«
Er deutete etwas verlegen auf die Türe hinter ihm.
»Hab aber anscheinend Pech gehabt. Hier ist jedenfalls abgeschlossen.«
Sein Gegenüber grinste ihn an.
»Na vielleicht haben Sie aber auch Glück gehabt. Ich hab nämlich denSchlüssel für diese Türe.«
Er trat zu Lukas und streckte ihm die Hand entgegen.
»Ich bin übrigens Pater Stefan und für das Seelenheil hier am Institut zuständig.«
Pater Stefan bemerkte interessiert, dass Lukas kurz zögerte, bevor er seine dargebotene Hand nahm.
»Guten Tag Pater. Mein Name ist Lukas Seger und ich bin mit unserem Team seit einigen Monaten damit beschäftigt, das Institut zu vermessen.«
Pater Stefan nahm Lukas jetzt genau ins Visier. »Ach Sie sind das«, bemerkte er vielsagend. »Ich habe schon von Ihren Abenteuern gehört. Dann sind Sie ja praktisch eines meiner Schäfchen.«
Lukas fühlte sich etwas unbehaglich, da er nicht wusste, was er von dem Priester halten sollte. Doch schließlich schob sich Pater Stefan mit einem »darf ich mal« an ihm vorbei, zog einen Schlüsselbund aus seiner Jackentasche und schloss die kleine Pforte auf. Einladend hielt er Lukas die Türe auf und dieser trat in einen düsteren, kleinen Raum, der nur durch ein schmales Fenster spärlich beleuchtet wurde.
»Ich war auch gerade ein wenig frische Luft schnappen«, bekannte Pater Stefan und führte Lukas von dem kleinen Vorraum in ein helles, größeres Zimmer, das für Lukas auf dem ersten Blick, mit den vielen Schränken, aussah wie ein Ankleidezimmer. Dann erkannte er, dass es sich – gar nicht so sehr am Ziel vorbei – um die Sakristei der kleinen Kirche des Instituts handelte. Lukas musste kurz überlegen, warum er noch nie hier gewesen war, bis ihm klar wurde, dass von der Kirche und den daran angrenzenden Räumen ein so umfangreiches Planmaterial vorhanden gewesen war, dass sich ihre Tätigkeit hier erübrigt hatte. Pater Stefan zog seine Jacke aus, nahm seinen Schal ab und verstaute beides, nachdem er es auf eine Kleiderbügel gehängt hatte, in einem der Schränke.
»Herr Seger, was halten Sie denn von einer Tasse Kaffee oder Tee bei mir drüben. Vielleicht können wir uns ja ein wenig unterhalten – natürlich nur, wenn Sie nichts Besseres vorhaben.«
Lukas war momentan etwas überfahren von dem Angebot und nahm daher mit gezwungener Freundlichkeit an, obwohl er dies schon in der nächsten Sekunde bereute. Gott und seine Diener auf Erden waren seit dem Tod von Sara und Eva ein willkommenes Feindbild für ihn gewesen und er hatte diese Anschauung unbemerkt so sehr verinnerlicht, dass er sie mittlerweile für eine unumstößliche Lebenswahrheit hielt. Aber was soll’s, dachte er bei sich, schließlich hatte der Mann ihm einen weiten Rückweg erspart, da konnte er doch – Priester hin oder her – ruhig ein wenig freundlich sein.
Sie verließen die Sakristei und betraten das alte, gotische Kirchenschiff. Lukas konnte sich, trotz seiner Abneigung gegen alles Religiöse, derErhabenheit und der zutiefst sakralen Stimmung, die von dem Gebetsraum ausging, nicht entziehen. Der Priester trat in die Mitte des Raumes, kniete vor dem Altar nieder und bekreuzigte sich, wobei er kurz Worte murmelte, die Lukas nicht verstand. Der Drang es Pater Stefan gleichzutun war für einen Moment so stark in Lukas, dass er ihm beinahe nachgegeben hätte, worüber er sich ärgerte. Pater Stefan erhob sich wieder und führte Lukas durch eine Türe, auf der anderen Seite des Kirchenraumes, hinaus in einen kleinen, gepflegten Garten und durch diesen Garten hinüber, zu seiner Wohnung.
»Kommen Sie rein, Herr Seger und machen Sie es sich bequem«
Mit diesen Worten geleitete er Lukas in einen Raum, der offensichtlich Wohnzimmer, Arbeitsraum und Bibliothek in sich vereinte. Lukas nahm, auf Geheiß von Pater Stefan auf einem gemütlichen Sofa, vor einem riesigen Bücherregal, Platz. Während Pater Stefan in die Küche eilte, um Kaffee zu
Weitere Kostenlose Bücher