Schneerose (German Edition)
schlechtes Gewissen.
Den Rest der
Pause schwärmt ihr Mike von einem Konzert eines Pianisten vor, dessen Namen Lia
noch nie gehört hat und auch sofort wieder vergisst. Mikes Worte rauschen an
ihren Ohren nur so vorbei, während sie sich innerlich auf die Qualen der
nächsten Stunden vorzubereiten versucht. Als es zum Ende der Pause klingelt,
schreckt sie aus ihren Gedanken hoch, nur um festzustellen, dass sie nicht
einen Bissen ihres Essens angerührt hat. Nur ihre Cola Lemon ist bis auf den
letzten Rest geleert. Schweren Herzen verabschiedet sie sich von Mike vor der
Cafeteria, da er im Gegensatz zu ihr nun mit Lindsay Chemieunterricht in den
Laboren hat. Lia muss also alleine den Rückweg zu den Klassenräumen antreten.
Schnell steckt sie sich wieder ihre Kopfhörer in die Ohren, um sich von
Metallica beschallen zu lassen. Hauptsache laut genug, um nichts von den fiesen
Gesprächen der anderen mitzubekommen.
Als sie den Flur
betritt, wimmelt es nur so von Schülern, sodass sie sich weit weg von ihrer
Klasse an die Wand lehnt und ihren Blick in eine Kopie des Gemäldes „Der
Schrei“ von Edward Munch vertieft. Wie gerne würde sie auch wie die Gestalt auf
dem Bild einfach laut aufschreien, doch ihre Stimme bleibt stumm.
Langsam leert
sich der Flur, bis nur noch ihre Klasse übrig bleibt und die anderen sie am
Ende des Flurs entdecken. Lia verdammt die blöde Lehrerin, die es nicht mal
schafft, mitten am Tag pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Mit trockener
Kehle dreht sie die Lautstärke ihres Mp3-Players runter, um nicht von einem
Angriff der anderen überrascht zu werden. Sie muss immer auf der Hut sein und
das geht nicht, wenn sie die anderen nicht hören kann. Die ersten abfälligen
Blicke spürt sie bereits auf sich und ihre Hände fangen an, sich zu
verkrampfen, als Bradley und Tracy samt ihrem Gefolge auf sie zu treten.
„Du hältst dich
wohl für was Besseres oder warum stehst du so weit von uns entfernt?“, will
Tracy mit einem bedrohlichen Unterton in der Stimme wissen. Ihre Locken legen
sich wie zischelnde Schlangen um ihren Kopf, während sich ihr Blick in Lias zu
Boden gerichtetes Gesicht bohrt.
„Oder hast du
etwa Angst vor uns?“, verhöhnt Bradley sie und lehnt sich direkt neben sie an
die Wand. Sein Augenmerk ist ganz auf Lia gerichtet, wie der Blick eines
Raubtiers auf seine sich bereits windende Beute.
„Mein Bruder hat
dich letzte Nacht in einem Club gesehen…Er meint, du wärst direkt mit drei
Typen auf der Toilette verschwunden.“
„Schlampe!“,
zischt Sarah sofort gehässig und blickt nach Anerkennung suchend zu Tracy, doch
diese betrachtet verbittert Bradley.
Ein anzügliches
Grinsen huscht über sein Gesicht, während sein Blick unverhohlen über Lias
Körper gleitet. Sie verdammt den knielangen Rock und die enganliegende weiße
Bluse der Schuluniform. Sie hat schon so oft die zuständige Lehrerin gebeten,
die Kleidung mehrere Nummern größer zu bekommen, doch die Dame weigerte sich
bisher beharrlich.
Tracy missfällt
die Begierde in Bradleys Augen. „Wie dumm sie doch ist, nicht mal Geld dafür zu
nehmen. So oft wie sie es treibt, könnte sie ein Vermögen machen.“
„Vielleicht hat
sie nur noch niemand auf die Idee gebracht.“, entgegnet Bradley und rückt noch
näher auf Lia zu, die vor ihm wie ein verängstigtes Reh zurückweicht.
„Also ich würde
ihr nicht mehr als 'nen Zehner geben.“, meint der dicke Phil, der in Wirklichkeit sein ganzes Geld
dafür hergeben würde, nur um eine Frau mal nicht nur auf dem Bildschirm seines
PCs nackt zu sehen.
„Du tust ihr
Unrecht, Phil. Wen wundert es auch. Jeder weiß, dass du keine Ahnung von Frauen
hast, die nicht aus Gummi sind…“
Die
Umherstehenden verfallen in ein synchrones, aufgesetztes Lachen, so wie Bradley
es von ihnen erwartet. Nur Tracy verschränkt genervt die Arme vor der Brust. Da
beugt sich Bradley plötzlich vor, sodass ihn nur Zentimeter von Lias Gesicht
trennen. Mit seiner Hand fährt er über ihr blondes Haar, welches sie in einem
Pferdeschwanz streng nach hinten gebunden trägt. Nur eine einzelne Strähne
fällt in einer sanften Welle über ihr von dunklen Augenringen gezeichnetes
Gesicht. Als Lia den Kopf wegdrehen will, packt Bradley sie grob am Kinn und
dreht es gewaltsam zu sich.
„Schaut euch nur
diese Lippen an. So voll und das von Natur aus. Nicht wie bei unserer lieben
Sarah vom Onkel Doktor gemacht. Miss Green kann damit sicher so manchen Mann um
den Verstand bringen, nicht
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