Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
nicht, als er Frau Perla sah. Die Sekretärin stolzierte an den Dessous entlang. Gezielt griff sie sich ein Kleidungsstück nach dem anderen. Alles wanderte in eine mitgebrachte Kühltasche. Dieses Miststück, schoss es Berti durch den Kopf. Sie umgeht damit die elektronischen Diebstahlsicherungen. Frau Perla ist ein Wolf im Schafspelz. Von wegen, sie habe lange für den Südsee-Urlaub gespart! Die Sekretärin kramte einen Zettel hervor und nickte zufrieden. Der Detektiv vermutete Diebstahl auf Bestellung. Er kochte innerlich. Diese alte Fregatte! Jetzt weiß ich, wer für die Schadenssumme von 20.000 Euro verantwortlich ist. Und ich Dummkopf habe mir stundenlang Überwachungsaufzeichnungen angesehen. Klar, dass ich nichts Auffälliges beobachtet habe. Die Kameras werden erst mit dem Einlass der Kunden gestartet. Automatisch. Die dreiste Diebin sah sich sichernd um. Sie war gerade dabei die Dessous-Abteilung wieder in Richtung Büro zu verlassen, als Berti aus der Umkleidekabine sprang. Mit blankem Oberkörper, wabbelnden Bauch und schlendernden Strapsen am linken Bein, stand er vor Frau Perla. „Habe ich Sie endlich erwischt!“, plärrte er. „Iiiiihhhiiiii!“, kreischte die überraschte Sekretärin. Ihr fiel die Tasche mit dem Diebesgut aus der Hand. Geschockt vom Anblick des in Strapsen gekleideten Herbert Schmadtke, schlug sie die Hände vor dem Mund zusammen. Ihre Augen rasten wie wild an Bertis Körper auf und ab. Genau in diesem Moment strömten die ersten Kundinnen in die Dessous-Abteilung. Kaum sahen sie den halbnackten Straps-Träger, begannen auch sie zu schreien. Eine ältere Dame lief entrüstet auf Berti zu. „Lustmolch!“, pfefferte sie ihm entgegen. Dabei fuchtelte die betagte Rentnerin unentwegt mit ihrem Regenschirm in der Luft herum. Von hinten hörte er Ausdrücke aller Art. „Spanner!“ „Kastriert den Perversling!“ „Haltet den Drecksack!“ „Ich bin Detektiv! Ich habe eine Seriendiebin auf frischer Tat erwischt!“, wehrte sich Berti, doch es war, als würde er unter Wasser um Hilfe rufen. Sein Satz verblubberte ungehört in der Masse der aufgebrachten Frauen. Frau Perlas Geschrei hingegen war gut zu hören. Ihre schrille Stimme fand immer die richtige Lücke im Geschnatter des Damengeschwaders. „Hilfe! Er wollte mich vergewaltigen!“ Berti bekam regelrecht Angst. Der Kreis um ihn herum zog sich immer enger. Die Gesichter der aufgebrachten Frauen wirkten verzerrt, angsteinflößend und entschlossen ihn zu meucheln. Alle gafften ihn mit Hass in den Augen an. Von hinten öffnete sich die Menge. Berti war erleichtert. Eine Filmszene schwirrte durch seinen Kopf. Moses teilt das Meer. Doch es war nicht Moses, der durch die geteilte Frauenflut schritt, es waren Herr Römer und ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Beide kamen im Trab angelaufen. Der muskelbepackte Rammbock von Sicherheitsmann bahnte wie ein Wellenbrecher den Weg durch den Mob, Stangen-Römer folgte. Mindestens drei der Kundinnen wählten auf Handy oder iPhone den Notruf. „Polizei! Bitte kommen Sie schnell …“ „Herr Schmadtke!“, stieß Römer aus. Er war direkt vor Berti und Frau Perla stehen geblieben. Es war eine Mischung aus Wut, Entsetzen und Verabscheuung, die eine Schimpfkanonade verhinderte, und Römer sekundenlange Sprachlosigkeit bescherte. „Sie … sind … Sie sind ein …“, weiter kam Römer nicht. Der Mann vom Sicherheitsdienst schob den Filialleiter zur Seite. „Den kaufe ich mir!“ „Ich habe die Diebin festgenommen!“, stieß Berti verteidigend aus. Der Sicherheitsmann wollte am Filialleiter vorbeigleiten, stolperte über dessen Bein, fiel nach vorn und krallte sich an Bertis Retro-Unterhose fest. Gemeinsam mit dieser rutschte er langsam in Richtung Boden. Nachdem die Kundinnen mit den nackten Tatsachen des in Strapsen vor ihnen stehenden Ladendetektivs konfrontiert waren, erreichte das Geschrei in der Dessous-Abteilung des Kaufhauses den obersten Bereich einer gigantischen Lärmpegelskala. Vermutlich wurde sogar das wilde Gejaule einer mit mannstollen Frauen ausverkauften Halle eines Chippendales-Auftritts überboten. Mehrere iPhone-Fotos wurden geschossen. Die Szene war eingefangen. „Ich bin von Ihnen enttäuscht, Schmadtke! Ich … ich … hoffe, Sie kommen so schnell nicht wieder aus dem Gefängnis frei!“, donnerte Römer, immer noch halb stotternd, aus. „Verdammt noch mal! Frau Perla ist die Diebin! Ich habe sie in flagranti erwischt!“ Bertis Stimmung war vergleichbar
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