Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
mit einem ausbrechenden Vulkan. „Er wollte mich vergewaltigen!“, kreischte die Sekretärin wiederholt. „Niemals!“, entgegnete Berti. Eine Polizeistreife kam ins Kaufhaus. „Wir waren zufällig auf Fußstreife und direkt vor der Tür, als der Einsatz durchgegeben wurde“, erklärte einer der Beamten, während der andere immer verzweifelter versuchte, für Ruhe zu sorgen. Berti zog seine Retro-Unterhose nach oben. Der Polizist vor ihm ließ seinen Blick mehrmals über den Körper des mit Strapsen und Netzstrümpfen bekleideten Mannes gleiten. „Ich bin Detektiv, habe mich getarnt und eine Seriendiebin erwischt.“ „So, so!“ „Sie stiehlt auf Bestellung. In der Gefriertasche befindet sich sowohl die Ware, als auch ein Zettel, auf dem garantiert die Kundenwunschliste notiert ist. Ich wollte sie nicht vergewaltigen!“, sprudelte es aus Berti heraus. Er wollte nur noch eines, endlich aus dieser hochnotpeinlichen Situation herauskommen. „Rudolf, mach doch was!“, zischte Frau Perla Herrn Römer zu. Berti stutzte zwar, dass sich beide duzten, doch sie kannten sich auch schon jahrelang. „Frau Perla!“, wehrte Römer ab. Berti wollte nachhaken, doch dann begann der Polizist zu sprechen. „Und das sollen wir glauben? Das klingt alles ein wenig hanebüchen!“ „Hier sind doch die Beweise! Schauen Sie in Frau Perlas Tasche. Da ist alles drin, was sie sich im Fünf-Finger-Rabatt geschnappt hat.“ „Und Ihr Aufzug?“, deutete der Beamte auf die Damenwäsche. „Tarnung! Oder glauben Sie, ich renne gern mit dem Eierkneifer und den blöden Strapsbändern herum?“ „Was weiß ein Fremder?“, bemerkte der Beamte. „Und die Angaben der Dame?“, schob er schnell nach. „Gelogen!“ „Und warum sollten wir annehmen, dass sie die Unwahrheit sagt?“ Lauter saudumme Fragen. Berti geriet in Rage, war kurz vorm Platzen. Er war ein Held, kein Sexualstraftäter. Außerdem war Frau Perla zu alt für ihn. Zudem, und das kam erschwerend hinzu, war sie eine Frau. Es reichte. Wütend prustete sich der Detektiv vor Römer, dem Mann vom Sicherheitsdienst, den beiden Polizisten, und dem gesamten Publikum auf. Es musste raus. Hier und jetzt! Die Zeit war reif. „Weil ich schwul bin!“, brüllte er dem Mob lauthals entgegen. Die Stimme war kurz davor, sich zu überschlagen. Etwas Speichel schoss nach vorn weg. Bertis Augen tanzten wild hinter dem Brillenglas. Die Wangen waren vor Zorn blutrot gefärbt. Stille. Eisige, trostlose Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Hastig versuchte Berti etwas Passendes nachzuschieben. Sein Gemütszustand konnte bedenkenlos als aus dem Häuschen bezeichnet werden. Der Detektiv bemühte sich, wieder einigermaßen normal zu klingen, sprach aber immer noch mit dosierter Wut. „Ich bin homosexuell, lebe in einer festen Beziehung, habe keinerlei Interesse an Frauen, und erst recht nicht an Frau Perla! Haben Sie das jetzt kapiert, oder soll ich es Ihnen schriftlich bestätigen?“ Das war ein gedanklicher Knock-Out. Berti hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben öffentlich geoutet. Wäre Papa-Schmadtke hier, würde ihm die Braadwuascht-Semml aus der Hand fallen. „Mei Sohn iss a warma Bruda? Ja varregg! Dess hädd ich ned geglebbt, dass da Berdi a Hindalada iss!“ Der Detektiv starrte in offene Münder. Die Menge war immer noch sprachlos. Auch Frau Perla hielt zum ersten Mal seit Minuten die Klappe. Römer und der Sicherheitsmann sahen sich fragend an. „Aha“, war der Kommentar des Polizisten, der sich als erster wieder fing. „Daher weht der Wind!“ Durch die Reihen der gebannten Zuschauerinnen ging langsam ein Murmeln. Abgelöst wurde es von Tuscheln, das sich zu einem wilden Gegacker steigerte. Der Tag war gelaufen.
Die Schlagzeile in der Lokalpresse war niederschmetternd. „Detektiv in Strapsen stellt vermeintliche Diebin!“ Bertis Foto prangerte daneben. Man hatte das übelste aller Bilder ausgewählt. Der Sicherheitsmann lag mit Bertis Unterhose in den Fäusten zwischen den mit Netzstrümpfen bekleideten Beinen des Detektivs. Die Strapse hingen herum, Bertis Hinterteil wirkte überdimensional. Der Fall war Stadtgespräch, die Zusammenarbeit mit dem Kaufhaus aufgekündigt. „Herr Schmadtke, das ging zu weit. Der Ruf unseres Hauses hat erheblich darunter gelitten“, verabschiedete ihn Römer. Berti war es egal. Er hätte dort ohnehin nicht mehr arbeiten können. „Sieh es doch mal von der guten Seite“, tröstete Konny seinen Freund. „Man kann
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