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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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er auf den Feldweg nach Klein-Roda einbog, roch es brandig. Und dann sah er es: Am Ende des Friedhofswegs, dort, wo er auf die Hauptstraße mündete, standen zwei Feuerwehrautos. Und dahinter stieg eine weiße Rauchwolke auf, kerzengerade.
    Er lief die Straße hinunter. Laß es nicht im Arbeitszimmer sein, dachte er. Bitte nicht in der Küche. Und nicht im Kaminzimmer. Laß es überhaupt nicht mein Haus sein.
    Gottfried und Marianne standen neben den Feuerwehrautos und guckten zu, wie die Männer die Schläuche entrollten.
    Die Katzen, dachte Bremer. Wo sind die Katzen?
    Und dann endlich hatte er einen freien Blick. Die Rauchsäule kam nicht aus seinem Haus und auch nicht aus Mariannes, das dicht daneben stand. Sie stieg auf aus seinem Schuppen, in dem das Fahrrad stand. Und das Brennholz lag. Und die Gartengeräte. Und…
    Werner von der Freiwilligen Feuerwehr nickte ihm zu. »Noch mal Glück gehabt«, sagte er.
    Erst später, als die Polizei kam, begann Bremer zu begreifen, was geschehen war. Er fühlte sich beschmutzt. Verletzt. Einem fremden Willen ausgeliefert.
    »Man hätte das früher Molotowcocktail genannt«, sagte der eine der beiden Beamten gemütlich, ein Hüne mit Frankfurter Tonfall. »Das Ding ist durchs offene Schuppenfenster geworfen worden. Bedanken Sie sich bei Ihrer Nachbarin – die hat die Sache sofort gerochen.«
    »Aber – wer?«
    Die Botschaft kam an wie ein Schlag in die Magengrube. Irgend jemand hatte etwas gegen ihn. Und der meinte es ernst.
    »›Wer‹ ist eine gute Frage, oder?« Der Hüne kratzte sich den Kopf unter seiner Mütze, die er in gewagtem Winkel am Hinterkopf trug. »Außer dem Postboten wurde niemand gesehen, und der hat nur was vor die Haustür gestellt.«
    Ein Päckchen in Din-A-4-Format. Bremer hob es auf und wunderte sich. Es schien sich um einen Katalog für Damenkleidung zu handeln. Dann sah er Kristas Namen auf dem Adreßaufkleber.
    Seltsam, dachte er. Vorhin war sie noch zu Hause.
    »Hat hier irgend jemand etwas gegen Sie?« Der Kleinere der beiden Polizisten ließ seine Frage wie einen Vorwurf klingen.
    »Nicht, daß ich wüßte.« Außer dem Enkel der alten Anastasia fiel ihm niemand ein. Und bei dem reichte es hinten und vorne nicht für eine derart aufwendige Rache. Und außerdem – Rache wofür? Er hatte dem Mann ein Problem abgenommen. Birdie. Wieder wurde ihm die Brust eng beim Gedanken an die Katzen.
    Der Hüne wiegte den Kopf. »Kann es sein, daß es jemandem nicht paßt, daß Sie hier wohnen?«
    »Als zugezogener Städter, meinen Sie? So kleinkariert ist hier niemand mehr.« Oder doch? Bremer fühlte sich mit einem Mal der neuen Sicherheit beraubt, die ihm die Arbeit als Stellvertreter des Ortsvorstehers verliehen hatte. So integriert, wie er befürchtet hatte, war er womöglich gar nicht. Prompt fiel ihm Moritz Marx ein. Aber wieso sollte der mit Molotowcocktails schmeißen, bloß, weil einer ihn für einen Opportunisten hielt und seinen Pullovergeschmack nicht teilte?
    »Wie wär’s mit der Verdeckung einer Straftat durch eine andere?« Der Kleinere guckte erst Bremer, dann seinen Kollegen an, als ob er Dank für die clevere Eingebung erwartete. »Dafür wird Abfackeln gern genommen.«
    Der Hüne wiegte den Kopf und sagte: »Na dann schaun mer mal.« Wie der Arzt vor der Blinddarmoperation. Bremer ließ ihn vorangehen. Phantasien darüber, was der Brandanschlag womöglich an Schlimmerem verbergen sollte, fuhren ihm durch den Kopf und in die Magengrube.
    Die Tür zum Schuppen hing schief in den Angeln und war zersplittert da, wo das Schloß gewesen war. Die Feuerwehr hatte beherzt zugetreten. Die nasse Brandstelle verströmte einen widerwärtigen Gestank.
    »Das können Sie wohl vergessen«, sagte der kleinere Bulle.
    Sein Fahrrad. Sein wunderbares, schlankes Müsing. Die Reifen geplatzt, die Speichen von der Hitze verbogen, der Lack schwarz und blasig. Der Brandsatzwerfer schien gewußt zu haben, wo es Paul Bremer weh tat: wenn es um sein Fahrrad ging. Und um die Katzen.
    »Sie sind ja bestimmt versichert«, sagte der Hüne.
    Die beiden Polizisten waren nicht ohne Mitgefühl, als sie gingen. Bremer unterdrückte sein Selbstmitleid, schloß die Haustür sorgfältig ab und machte sich auf die Suche nach Nemax und Birdie.
    Er rief und lockte, ohne sich um die beiden älteren Damen zu kümmern, die mit ihren Hunden über die Auenwiesen liefen und ihm hinterherguckten. Er hatte Schreckensvisionen von leblosen Katzenkörpern, die ein Auto in den Rinnstein

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