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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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erwischt hat – ganze Dörfer wie dieses auslöschen. Ist vor ein paar Jahren in der Nähe von Chamonix passiert, da wurden über zwanzig Chalets dem Erdboden gleichgemacht. Und der ganze Schnee, der immer noch runterkommt, erhöht das Risiko nur noch mehr. Darum sind alle weg.«
    »Und warum haben sie uns nicht mitgenommen?«
    »Vielleicht haben sie gedacht, wir sind in der Lawine heute Morgen umgekommen.«
    »Aber hätten sie dann nicht ein Rettungsteam geschickt?«
    »Hör zu, ich weiß es nicht. Ich weiß bloß, dass der ganze Ort evakuiert worden ist, und wir müssen auch hier raus, und zwar schnell.«
    »Also gut. Und wie?«, fragte Zoe.
    »Das ist ja … Das ist es ja. Wir könnten laufen. Wir könnten uns ein paar Skier aus einem der Läden holen und weiter den Berg runterfahren. Aber die Vorstellung finde ich nicht so prickelnd, angesichts dessen, was wir wissen, und in Anbetracht dessen, was heute Morgen passiert ist.«
    »Ich auch nicht.«
    »Wir könnten auch fahren. Was hieße, dass wir eins der Autos nehmen müssten, die herrenlos hier im Ort herumstehen. Und ganz langsam fahren, damit wir nicht irgendwas lostreten.«
    »Gut. Das machen wir.«
    »Gut.«
    »Dann mal los.«
    »Worauf warten wir denn dann noch, Zoe?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hab Angst.«
    »Angst? Du brauchst doch keine Angst zu haben, du dummer kleiner Schisshase. Überhaupt nicht. Aber ich habe auch Angst. Egal. Pass auf, wir suchen uns jetzt ein Auto mit Schlüssel im Zündschloss.«
    »Gut. Könnten wir nicht einfach …«
    »Könnten wir nicht einfach was? Ein Auto knacken und kurzschließen, so wie im Film?«
    »Ja.«
    »Weißt du, wie das geht?«
    »Du bist der Technikexperte von uns beiden. Du bist der Mann.«
    »Tja, dann will ich dir mal was sagen, meine kleine dumme Gans von einer Ehefrau. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man ein Auto kurzschließt. Wie du schon so treffend festgestellt hast, bin ich Tierarzt, ich arbeite mit Hunden und weißen Mäusen und Wellensittichen, und während meiner gesamten Ausbildung und Laufbahn als Tierarzt hat noch nie jemand von mir verlangt, dass ich ein Auto kurzschließe. Um unseren Hintern zu retten. Bis jetzt.«
    »Schnauz mich nicht an.«
    »Und ich sage dir noch was. Hast du mal gesehen, wie die das im Film machen? Die reißen einfach ein paar Kabel unter dem Armaturenbrett raus und halten sie aneinander, und schon springt das Auto an! Ein Automechaniker hat mir mal gesagt, das ist alles Blödsinn. So funktioniert das heutzutage nicht mehr. Er meinte, wenn man das macht, dann ist es wahrscheinlicher, einen elektrischen Schlag abzubekommen.«
    »Dann machen wir das eben nicht.«
    »Und der war Automechaniker. Ein richtiger, echter Automechaniker.«
    »Also, wie du schon sagtest, dann gehen wir los und suchen ein Auto, in dem der Schlüssel steckt. Und dann fahren wir los. Mit irgendwie gedämpftem Motor.«
    »Du bist ein sarkastisches Weibsstück, weißt du das?«
    »Darum hast du mich doch geheiratet. Gib’s zu, du stehst drauf.«
    Doch ehe sie die Polizeiwache wieder verließen, versuchten sie noch einmal, Elfinda, die lächelnde Reiseleiterin, anzurufen. Aber genau wie zuvor wurde die Verbindung schließlich unterbrochen, ohne dass jemand rangegangen war.
    Draußen, wo der Schnee jetzt ringsum noch dichter fiel, wanderten sie von einem Wagen zum nächsten und versuchten, die Türen zu öffnen in der Hoffnung, ein Auto zu finden, das nicht abgeschlossen war. Nach fünfzig oder sechzig Versuchen hatten sie schließlich vier Fahrzeuge gefunden, die unverschlossen waren, aber in keinem steckte der Schlüssel.
    Es schneite immer heftiger, und mit dem Schnee senkte sich ein austerngrauer Dunst über alles. Langsam waren beide müde und durchgefroren.
    »Mir ist gerade was eingefallen«, meinte Jake.
    »Was denn?«
    »Drüben an der Polizeiwache – da stand ein Polizeiauto. Vielleicht ist der Schlüssel drinnen in der Wache.«
    »Was, du willst ein Polizeiauto klauen? Wage es ja nicht.«
    »Aber es ist doch eine Ausnahmesituation, oder?«
    Zoe zog skeptisch die Augenbrauen hoch, folgte ihm aber dann den Hügel hinunter zur Polizeiwache. Dort entdecken sie tatsächlich den Schlüssel für das Auto; er hing an einem Haken gleich neben der Tür.
    »Bist du dir sicher, dass es in Ordnung ist, das einfach so … mitzunehmen?«
    »Nein.«
    Gleich beim ersten Versuch sprang der Wagen an und pustete eine dicke Wolke aus Dieselabgasen in die Luft. Sie hatten versucht, den Schnee von der

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