Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
Vom Netzwerk:
Augenbrauen schaute er sie fragend an.
    Doch Zoes nächster Gedanke war nur: Das muss ich Jake sagen! Ich muss es ihm sagen!
    Fröhlich hopste sie zurück zum Aufzug. Die Türen standen offen, als wartete er schon auf sie. Schnell sprang sie hinein, drückte ungeduldig den Knopf und fuhr bis zu ihrem Stockwerk hinauf. Sie kicherte vergnügt wie ein Schulkind. Als der Fahrstuhlgong ihre Etage ankündigte, versuchte sie, die Türen aufzuschieben, weil sie es so eilig hatte hinauszukommen. Sie rannte den Gang entlang und hämmerte gegen die Tür. »Jake! Jake!«
    Hinter der Tür war ein Ächzen zu hören, und einige Augenblicke später öffnete Jake. Er war nackt. Er gähnte wie ein Nilpferd. Sadie stand schwanzwedelnd hinter ihm und versuchte, sich an ihm vorbei nach draußen zu schlängeln. »Wo brennt’s denn?«
    »Zieh dich an. Komm schnell. Lass Sadie da. Nein, zieh dir nur einen Bademantel über! Schnell. Das glaubst du nicht! Du glaubst es einfach nicht, Jake!«
    Sie lachte so heftig, dass es sie fast schüttelte. Jake schlüpfte in den weißen Bademantel und folgte ihr den Korridor entlang. Sie packte ihn an der Hand. Er wollte wissen, was zum Teufel los war.
    »Warte nur, du wirst schon sehen! Warte nur!«
    Sie stiegen in den Aufzug und drückten auf den Knopf, um nach unten zu fahren. Blinzelnd schaute Jake sie an. Da packte sie sein Gesicht und küsste ihn fest und fuhr ihm mit der Zunge in den Mund. Sie wollte einfach nur, dass er aufhörte zu reden, und ihm das Wunder zeigen, das sich da eben ereignet hatte. Der Fahrstuhl hielt im Foyer an, und die Türen öffneten sich. Zoe schubste Jake hinaus und trat hinter ihm aus dem Aufzug.
    Stille.
    Nichts und niemand da. Alles wie gehabt.
    Zoe blieb wie angewurzelt stehen. Sie stammelte etwas Unverständliches und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann stürzte sie zur Rezeption und schaute sich gründlich um. Angestrengt spähte sie durch die Glastüren nach draußen, wo der Bus mit den neuen Gästen geparkt hatte. Sie nahm das Pult des Concierge ins Visier. Schaute hinter der Empfangstheke nach, wo die drei Frauen gearbeitet hatten. Dann drehte sie sich um und rannte Hals über Kopf nach draußen in den Schnee.
    Alles war still. Es war menschenleer. Da war nichts als der weiße, weiße Schnee über der lautlosen Landschaft.
    Jake kam hinter ihr her nach draußen.
    Sprachlos schaute sie die Straße entlang nach links und rechts. Sie suchte nach Reifenspuren, die der Bus hinterlassen haben könnte. Aber es waren keine zu sehen.
    »Das kann nicht sein. Das kann doch einfach nicht wahr sein.«
    »Was ist denn los?«, wollte Jake wissen.
    Aber sie überhörte ihn und schubste ihn wortlos beiseite, als sie ungehalten wieder nach drinnen stiefelte.
    In der Eingangshalle schaute sie sich nach handfesten Beweisen dafür um, dass sich irgendwas verändert hatte; nach kleinsten forensischen Hinweisen darauf, dass all diese Menschen tatsächlich da gewesen waren, leibhaftig und nicht bloß in ihrer Fantasie. Sie fingerte an den Kanten des hellen Concierge-Pults herum.
    »Komm schon«, sagte Jake. Er wartete noch immer geduldig auf eine Erklärung.
    »Es waren Leute hier, Jake. Dutzende. Sie haben sich unterhalten. Neue Gäste sind mit ihren Koffern reingekommen …«
    »Wann?«
    »Eben gerade! Vor ein paar Minuten. Ich bin gleich hoch, um es dir zu sagen. Ein paar haben über die Lawine geredet. Ein Mann hat mich anzüglich angegrinst.«
    »War es vielleicht ein Albtraum?«
    »Nein, er hat mir bloß zugezwinkert. Ich glaube, mein Bademantel stand vorn etwas offen. Ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass hier Leute sind. Sie waren … ganz normal. Es war alles ganz normal. Es war gerade Bettenwechsel. Die einen kamen, die anderen gingen.«
    »Soll ich dich mal in den Arm nehmen?«
    »Nein, du sollst mich verdammt noch mal nicht in den Arm nehmen. Es war hektisch, aber ganz normal. In dem Moment war alles ganz normal. Wie früher, vor dem … bevor das alles passiert ist.«
    Jake kniff die Augen zusammen.
    »Du glaubst mir nicht, oder?«
    »Zoe, meinst du, es gibt hier irgendwas , das ich nicht glauben würde? Aber lass uns mal in Ruhe nachdenken.«
    »Verflixt, ich denke doch schon. Ich denke wie blöde.«
    »Also gut. Darf ich dir einige Erklärungsansätze liefern, ohne dass du mich anschreist?«
    »Nein. Die kannst du für dich behalten.«
    »Also schön. Eine Möglichkeit wäre, dass es so eine Art Wunscherfüllung war. Du wünschst dir so sehr, alles wäre wieder wie

Weitere Kostenlose Bücher