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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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früher, und deshalb hat es einen Moment lang auch so ausgesehen. Zweitens, es könnte sein, dass du noch im Halbschlaf warst und quasi weitergeträumt hast. Ich kenne das, man steht auf und hat den Traum doch noch ganz lange im Kopf. Ein Überträumsel, sozusagen.«
    »Ein Überträumsel? Was ist denn ein Überträumsel? Den Quatsch hast du dir doch gerade aus den Fingern gesaugt!«
    »Könnte sein.«
    »Ach, ich weiß auch nicht, ich weiß es einfach nicht!«
    »Komm, wir ziehen uns an und gehen raus.«
     
    Während sie sich die Skisachen anzogen, beschrieb Zoe die Szene, die sie unten erlebt hatte, haarklein bis ins letzte Detail. Es konnte kein Traum gewesen sein, wie sie beteuerte, denn das Ganze hatte überhaupt nichts Unlogisches, Unheimliches oder Unprosaisches an sich gehabt; wohingegen sämtliche ihrer Träume sich gerade durch ihre völlige Irrationalität auszeichneten. Immer wieder ging sie sämtliche Einzelheiten durch und beschrieb ihm jede einzelne Person, die sie im Foyer gesehen hatte.
    Bis Jake ihr schließlich streng erklärte, sie solle die Sache auf sich beruhen lassen. Als sie wieder hinunter in die Eingangshalle kamen, konnte Zoe sich die Hoffnung nicht verkneifen, die Menschen könnten womöglich wieder da sein, wenn sich die Fahrstuhltüren öffneten.
    Waren sie aber nicht.
    Draußen vor dem Hotel versuchte Zoe, die Eindrücke dieses Morgens abzuschütteln. Sie beschlossen, mit Sadie, die fröhlich neben ihnen hertrottete, den Ort zu erkunden.
    Die Frage, was sie mit ihrer vielen Zeit anfangen sollten, stellte sich immer drängender. Fast kam es ihnen vor, als seien sie im Schlaraffenland gelandet, ohne es sich gewünscht zu haben. Die Restaurants und Supermärkte waren randvoll mit Essen und Getränken. Sie konnten sich nach Herzenslust an allem bedienen. Es war nicht mal Stehlen, denn die Sachen in den Geschäften gehörten ja eigentlich niemandem. Und besser noch, sie mussten nicht mal einen Finger krumm machen, um in Saus und Braus zu leben. Der Tod hatte ihnen Müßiggang im Überfluss beschert.
    Jake schlug vor, sie könnten vielleicht einkaufen gehen. Wobei er sie bloß irgendwie ein bisschen trösten wollte. Wurde er sonst dazu gezwungen, sie zum Einkaufen zu begleiten, lief er normalerweise mit einem Gesicht herum wie ein Nazi bei einem jüdischen Schwulenfestival. Aber diesmal stammte der Vorschlag von ihm.
    Also gingen sie in einen Skiladen und suchten sich neue Skier und Handschuhe und Skibrillen aus. Dann wählten sie neue, topmodische Stiefel aus einem der vielen Regale. Und probierten sie an. Die Stiefel waren der Hammer. Aber sie stellten schnell fest, dass ihre alten Stiefel bequemer waren, also ließen sie die umwerfenden neuen Skistiefel im Laden, fürs nächste Mal, wenn sie welche brauchten.
    Dann spazierten sie in eine der schicken Boutiquen und suchten neue Garderobe füreinander aus. Hätte Jake früher mit verschränkten Armen lustlos danebengestanden, war er jetzt plötzlich mit Feuereifer dabei. Zoe lachte über die Preise. Jake machte sich über die Auslagen lustig.
    »Wie stehen wir eigentlich zu Pelz, jetzt, wo wir tot sind?«, wollte er wissen.
    In der Boutique gab es jede nur erdenkliche Designermarke. Zoe interessierte sich kaum für Mode, doch selbst sie kannte Prada und Gucci und Vuitton und Fendi, und sei es nur, weil sie die Modeverirrten gerne beleidigte, die solche Namen spazieren führten.
    »Das musst du dir mal ansehen«, sagte sie. »Manches davon ist wirklich Couture.«
    »Hab ich noch nie was von gehört«, meinte Jake.
    »Das ist keine Marke. Das sind handgemachte Sachen, noch viel teurer als diese Designermarken.«
    »Tja. Dann wollen wir doch mal zuschlagen, was?«
    Es machte Spaß, sich neue Hosen und Handtaschen und Schals und Schuhe auszusuchen, zumindest ein paar Minuten lang. Doch dann ließ Zoe einfach einen Mantel, den sie gerade anprobieren wollte, auf den Boden fallen.
    »Weißt du was? Ich will gar nichts von dem Zeug.«
    »Ich auch nicht.«
    »Wen will ich damit schon beeindrucken?«
    »Mich jedenfalls nicht.«
    »Und warum den ganzen Kram bis ins Hotel schleppen? Läuft uns ja nicht weg. Wenn wir was davon wollen, holen wir es uns einfach. Werde ich aber bestimmt nicht.«
    »Also gut.«
    »Mist, Jake, es muss doch im Tod mehr geben als Shopping.«
    »Du weißt, dass ich da ganz deiner Meinung bin. Was könnten wir denn sonst so machen?«
    Gemeinsam überlegten sie, welche Freizeitangebote der Ort außer Skifahren noch zu bieten

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