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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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getaucht,
erhellt durch die erleuchteten Wohnzimmerfenster des Bauernhauses. Wenigstens
etwas, dachte Klara, deren Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Sie
entdeckte Rolf am Gartenzaun. Er hatte die Vorderpfoten auf die Latte gelegt,
reckte den Kopf darüber und bellte.
    Vorsichtig trat sie über die Waschbetonplatten, die einen Pfad zwischen
den überfluteten Beeten bildeten.
    »Was ist denn los mit dir …?«
Kalte Nässe drang in ihren Schuh. Sie war in eine Pfütze getreten. »Verdammt!«
    Sie fasste Rolf am Halsband und zog ihn zurück. Doch er zerrte mit
seiner ganzen Kraft und bellte weiterhin in Richtung Straße.
    »Was hast du nur?« Klara hob den Schirm und folgte seinem Blick.
    Etwas abseits lag die Haltestelle, an der die Busse nach Münster
abfuhren. Der Wind trieb Regenschleier durch den schwachen Lichtkegel einer
alten Laterne. Klara kniff die Augen zusammen und sah sich um.
    Auf der Straße hinter dem Bushäuschen befand sich ein dunkler
Schatten, der sich nicht bewegte. Es war ein Mann. Keine hundert Meter von ihr
entfernt. Der Regen prasselte ungehindert auf ihn nieder, dennoch rührte er sich
keinen Zentimeter. Stand einfach dort und sah zu ihr herüber. Seine Silhouette
hob sich blauschwarz von der Umgebung ab. Wie ein riesiger Käfer, der in Starre
gefallen war.
    Sie verstärkte den Griff um das Hundehalsband, und Rolf hörte auf zu
bellen.
    Wer konnte das sein?, fragte sie sich. Sie fixierte die Silhouette.
Plötzlich kam es ihr so vor, als hätte dieser Mann auf sie gewartet. Als hätte
er gewusst, dass sie früher oder später hier am Gartenzaun auftauchen würde.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    Um sich herum hörte sie nichts als den Regen, der auf die Landschaft
niederprasselte. Und dann, ganz plötzlich, bewegte sich der Mann. Er trat
lautlos ein paar Schritte zurück und verschwand schließlich ganz in der
Dunkelheit.
    Der Wind rüttelte sacht an dem Haltestellenschild, die regennasse
Straße lag wie ausgestorben vor ihr.
    Sie trat ebenfalls einen Schritt zurück, dann schüttelte sie den
Kopf. Er hat nicht auf dich gewartet, sagte sie sich. Das ist Schwachsinn,
totaler Schwachsinn.
    Dennoch eilte sie zurück in die sichere Scheune. Sie hatte keine
Ahnung, wer dieser Fremde gewesen sein könnte, und sie würde sich besser
fühlen, wenn sie wieder unter Menschen war.
    Lina und Marc standen draußen unter dem Vordach. Sie stritten im
Flüsterton miteinander, und in ihren Gesichtern spiegelte sich die Anspannung. Wahrscheinlich ging es immer noch um Marcs
unpassende Bemerkung, dachte Klara. Doch dann wurde ihr klar, dass Lina nicht
Marc angriff, sondern dass sie sich stattdessen ihm gegenüber verteidigte. Gerne
hätte Klara ein wenig gelauscht, aber als die beiden sie kommen sahen,
verstummten sie augenblicklich und räusperten sich verlegen. Lina bedeutete
ihrem Freund mit einem Blick, zu verschwinden, und er trottete zurück in die
Scheune.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Klara und trat mit dem Hund unter das
Vordach.
    »Natürlich.« Sie verdrehte die Augen. »Vergiss Marc! Weiß der
Himmel, was heute Abend mit dem los ist! Vielleicht liegt es ja am Wetter.« Sie
wechselte das Thema. »Da gibt es jemand anders, über den du dir Gedanken machen
solltest.«
    »Ist was mit Jens?«
    Ein verlegener Ausdruck trat in Linas Gesicht.
    »Ich glaube, der hatte heute einfach zu viel«, sagte sie. »Er hat
gerade total abgebaut. Ganz plötzlich ging es ihm richtig schlecht. Er ist
rüber ins Haus. Musste wohl kotzen.«
    Klara verzog das Gesicht. Nicht schon wieder, dachte sie.
    »Er hat nach dir gefragt«, schob Lina hinterher.
    Sie stöhnte auf. »Und was soll ich da machen? Soll ich ihm etwa beim
Kotzen zusehen?«
    »Komm, geh hinterher. Es schien ihm wirklich schlecht zu gehen.«
    Sie unterdrückte ihren Widerwillen und seufzte. »Also gut, ich geh
ja schon.«
    Sie drückte Lina das Hundehalsband in die Hand und eilte durch den
Regen zum Wohnhaus. Ihren Freund fand sie im Badezimmer der Eltern, wo er in gekrümmter
Haltung vor dem Klo lag. Erbrochenes war auf den Boden und gegen die
Wandfliesen gespritzt. Er atmete schwer, rührte sich jedoch kaum. Seine Arme
hatte er um die Schüssel gelegt.
    Klara schloss die Badezimmertür und drehte den Schlüssel um. Das brauchte
niemand zu sehen. Sie hockte sich hin und fasste ihm vorsichtig an die
Schulter. Da bemerkte sie, dass er mit Gesicht und Oberkörper im Erbrochenen
lag.
    »Mein Gott, Jens!«, entfuhr es ihr. »Was machst du denn

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