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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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wird.«
    »Ich verzichte zugunsten anderer«, entgegnete Bendt und ging zur Tür des Hauses hinüber, aus dessen zweitem Stock Hanna Frombach gestürzt war.

3
    Braun schlurfte über den gewaltigen grauen Schmutzfänger, der die marmorierten Fliesen hinter dem Eingangsportal im unteren Hausflur schützte. Linksseitig führte eine elektrische Schiebetür aus Glas in die im Erdgeschoss gelegene Apotheke und begleitete das Kommen und Gehen ihrer Besucher mit einem sonoren Surren. Geradeaus führten drei Stufen hinauf in den mit ausgetretenen Holzdielen versehenen Hauptflur, wo sich etwas weiter hinten die Treppe in die oberen Stockwerke befand. Braun verzog das Gesicht, als er das Streugranulat unter seinen Füßen quietschen hörte, als hätte man ein Stück Kreide über eine Tafel gezogen. Zwar sah dieser Teil des Gebäudes nicht so modern aus wie das Erdgeschoss, dafür roch es besser, wie Braun fand. Denn er konnte dem holzig muffigen Geruch des Treppenhauses weit mehr abgewinnen als der vor der Apotheke vorherrschenden Mischung aus Arznei, Reinigungsmitteln und vor allem zahlreichen Parfüms, deren influenzageschädigte Träger die Apotheke aufgesucht hatten.
    »Und, was hast du für mich?«, erkundigte Braun sich gespannt, während sie die hohen Stufen des alten Gebäudes hinaufstiegen.
    »Wenig«, gestand Bendt. »Offenbar hat keiner etwas auf dem Balkon gesehen oder gehört, bevor sie unten aufgeschlagen ist.« Er deutete zu einer der dunkel gebeizten massiven Wohnungstüren im ersten Stockwerk hinauf. »Das ist die Wohnung, die direkt unter der liegt, in der das Opfersich aufgehalten hat. Hier war zur Tatzeit keiner der Eheleute zu Hause«, referierte er das, was er von den Kollegen erfahren hatte. Brauns Blick streifte das Türschild der hier beheimateten Schröders und deren Türkranz nur flüchtig. Denn die Weihnachtsdekoration der Familie Herrmanns von gegenüber zwang ihn, einige Sekunden innezuhalten. Herrmanns hatten ohne jeden Zweifel sehr viel mehr für Dekoration übrig als ihre Nachbarn. Neben einer übergroßen Weihnachtsmannfigur aus Plastik, die an der Wohnungstür hing und unentwegt blinkte, bewachte ein Bataillon aus rotgesichtigen Zwergen das Domizil, das man über eine »Happy Christmas«-Fußmatte betreten konnte.
    »Die Leute waren zu Hause«, berichtete Bendt.
    »Die scheint hier ja auch keiner mehr rauszulassen«, mutmaßte Braun. »Denen gehört wohl auch der Weihnachtsmann an der Fassade, der nichts unternommen hat, um Frau Frombach aufzufangen.« Braun wandte sich den Weihnachtszwergen zu. »Und ihr, Jungs?«
    »Keiner will etwas Ungewöhnliches bemerkt haben«, fuhr Bendt fort. »Handwerker waren heute wohl keine da oben, was mitten im Winter am Samstag ja auch nicht wirklich verwundert. Diese Frau Herrmanns hat allerdings angegeben, dass irgendwann zwischen zwei und drei, als sie gerade in den Keller runterwollte, eine Frau an ihr vorbeigelaufen sei, auf die unsere Opferbeschreibung zutrifft.«
    »Wahrscheinlich war Frau Herrmanns auf dem Weg, noch mehr Zwerge aus dem Keller zu holen«, witzelte Braun und setzte gemächlich seinen Weg nach oben fort. »Und, hat diese Frau Herrmanns registriert, ob die Frau, die ihr auf der Treppe entgegengekommen ist, auf sie einen verwirrten oder irgendwie sonst auffälligen Eindruck gemacht hat?«
    »Die Zeugin hat gesagt, die Frau sei ganz schnell an ihr vorbeigerauscht und habe irgendwie gehetzt gewirkt. Sie selbst, also Frau Herrmanns, hätte das aber nicht besonders interessiert. Sie dachte, die Frau sei oben irgendwo eingeladen und zu spät dran. An die leere Wohnung will sie in dem Moment nicht gedacht haben.«
    »Wussten die Leute denn, wer dort oben einziehen soll?«, fragte Braun und lauschte seinen dumpfen Schritten, während er in den zweiten Stock hochstieg.
    »Nein, aber ich weiß es«, sagte Bendt und sprang die verbleibenden Stufen hoch. Braun hatte nicht den Ehrgeiz, es ihm gleichzutun, sondern erklomm ohne Hast die Stufen, was schon genügte, um ihn aus der Puste zu bringen. Bendt lehnte betont lässig im Türrahmen einer mit polizeilichem Absperrband gekennzeichneten Tür und grinste, als Braun auf ihn zuschlurfte.
    »Auch schon da, der Herr Hauptkommissar?«, fragte er grinsend.
    »Komm du in mein Alter«, gab Braun zurück, der spitze Anspielungen seines jungen Kollegen gewohnt war.
    »Ach, am Alter liegt das«, stichelte Bendt. Braun horchte noch einmal ins Treppenhaus, bevor er dem Kollegen in die Wohnung folgte. Von dem

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