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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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Publikumsverkehr in der unten gelegenen Apotheke war hier kaum noch etwas zu hören. Bendt führte ihn durch den schmalen Flur des Zwei-Zimmer-Apartments in das kahle Wohnzimmer hinüber, von dessen Decke an einem langen weißen Kabel eine schmucklose und surrende Glühbirne baumelte. An den Wänden hingen noch ein paar Nägel über verstaubten Bildrändern und wirkten in ihrer Funktionslosigkeit ebenso verlassen wie der Raum selbst. Bendt gab seinem Chef eine kurzeEinweisung in die Örtlichkeit, in der es nach Lösungsmitteln und Farbe roch. Neben der farbverkrusteten Malerleiter, die an die Seitenwand angelehnt stand, fanden sich in der Ecke diverse Farbeimer, Malerteppiche und andere Utensilien.
    »Nicht sehr gemütlich und außerdem schweinekalt hier oben«, stellte Braun mit Blick auf den bereits abgehängten alten Heizkörper fest, der in der Ecke stand und offenbar ausgedient hatte.
    »Also, raus mit der Sprache«, forderte er seinen Kollegen auf und trat an die Balkontür heran, um das Malerklebeband zu untersuchen, das rund um die Tür bereits angebracht worden war. »Wer war sie? Die Wände gestrichen hat sie, so wie sie aussah, jedenfalls nicht, und häuslich einrichten konnte man sich hier ganz offenbar im Moment auch noch nicht.«
    »Stimmt. Sie war hier mit einem potenziellen Mieter verabredet, um ihm die Wohnung zu zeigen.«
    »Und das sagst du mir erst jetzt?« Braun war ein wenig sauer, dass sein Kollege ihm diese Information vorenthalten hatte. »Raus damit: Wann genau war sie hier?«
    »Die Wohnung gehört der Frau«, erwiderte Bendt. »Der Mann wollte sich hier nach eigenen Angaben um fünfzehn Uhr mit ihr zur Besichtigung treffen und will dann vergebens unten auf sie gewartet haben, bis er einen Tumult auf dem Gehweg bemerkt haben und nach Eintreffen der Polizei darauf gekommen sein will, dass es wohl seine Vermieterin war, die gerade vom Balkon gefallen war …«
    »Moment, hast du nicht eben gesagt, Frau Herrmanns hätte die Frau irgendwann zwischen zwei und drei nach oben gehen sehen?«
    »Vielleicht wollte sie oben erst nach dem Rechten sehen, bevor sie den potenziellen Mieter unten abholt.«
    »Möglich. Jedenfalls klingt das im Moment nicht so sehr nach jemandem, der sich hier umbringen wollte«, sagte Braun und suchte gleichzeitig nach Hinweisen dafür, dass das Opfer auf den Balkon und über das Geländer gestoßen worden sein könnte. Er wies mit einem Fingerzeig auf das peinlich genau angebrachte Klebeband im Türrahmen hin. »Keine Beschädigung, kein Abriss, nichts«, stellte er fest.
    »Du meinst, sieht nicht so aus, als ob sich hier jemand festgehalten hätte?«
    »Genau das meine ich«, bestätigte Braun.
    »Der Staub an der Glastür spricht auch dagegen.« Bendt wischte mit dem Finger über die dünne Schmutzschicht, die sich von innen auf dem Glas abgesetzt hatte, und hinterließ eine sichtbare Schmierspur. Dann presste er seine Hand gegen das Glas und fixierte einen Moment lang schweigend den deutlichen Abdruck.
    »Wenn sie tatsächlich nach draußen gezwungen worden sein sollte, muss diese Tür schon sperrangelweit offengestanden haben.« Braun beobachtete seinen Kollegen bei dem vergeblichen Versuch, den Staub von seiner Hand wegzupusten. Bendt wischte sich den Schmutz schließlich am Hosenbein seiner Jeans ab.
    »Vielleicht hat sie in den Lauf eines Revolvers geguckt, als sie höflich nach draußen gebeten wurde«, mutmaßte Bendt, während er die Balkontür öffnete.
    Braun trat vor Bendt hinaus. Er lehnte sich mit den Unterarmen auf das Geländer und blickte nachdenklich auf die Straße hinunter, auf der auch jetzt einige Menschen unterwegswaren und beladen mit ihren Weihnachtseinkäufen den Gehweg passierten.
    »Ich möchte übrigens diesen Zeugen, der hier mit der Frau verabredet war, gleich mal sprechen.«
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte Bendt und räusperte sich etwas umständlich, wie er es immer tat, wenn er Braun etwas sagen wollte, von dem er meinte, dass es dem Chef nicht besonders gut gefiel. »Der Mann ist leider schon weg.«
    »Wie, der ist schon weg?« Braun war irritiert. »Hätte man den nicht eine Weile aufhalten können? Wer hat die Aussage des Zeugen denn aufgenommen?«
    »Ein Uniformierter, der als einer der Ersten am Tatort war. Er hat, wie soll ich sagen …?« Bendt verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Er hat nur das Allernötigste in seinem Merkbuch notiert, bevor der Zeuge gegangen ist.«
    Braun sah Bendt eindringlich an. Er kannte

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