Schneetreiben
vernäht worden, so dass er mit seiner baldigen Entlassung rechnen konnte. Dennoch hatten die Ärzte den Kommissaren fürs Erste nur einen Besuch von allenfalls zehn Minuten auf der Intensivstation gestattet.
»Dann wollen wir mal«, seufzte Braun und streifte sich in der Sicherheitsschleuse, die auf die Intensivstation der Klinik führte, den vorgeschriebenen Hygienekittel über. »Du siehst aus wie ein Arzt«, sagte er anerkennend zu Bendt, der tatsächlich aussah, als wolle er die Visite übernehmen.
»Danke«, entgegnete Bendt grinsend. »Du siehst aus wie unser Gemüseverkäufer im Supermarkt.«
Braun versetzte ihm lachend einen Seitenhieb, und die Männer folgten der Krankenschwester auf die Station zu Teuberts Bett.
Krankenhäuser waren Braun ein Gräuel. Der Raum, in dem Teubert untergebracht war, war schmal und klein und zudem vollgestopft mit elektronischen Geräten.
»Guten Tag, Herr Dr. Teubert«, begrüßte Braun den Mediziner und blieb neben Bendt am Ende des Bettes stehen. »Wir freuen uns, Sie hier so munter wiederzusehen. Wir habengehört, es geht bergauf.« Braun musterte Teubert und stellte fest, dass der zwar erwartungsgemäß blass aussah, aber an keines der Geräte mehr angeschlossen war.
»Guten Tag«, krächzte Teubert. »Es ging mir schon wesentlich besser, aber ich lebe.« Er richtete sich mühsam auf und ließ sich von der Krankenschwester helfen, die Kopfstütze ein Stück hochzufahren. Ihm war deutlich anzusehen, dass ihm die Bewegung des Oberkörpers Schmerzen bereitete. Die Schwester ermahnte die Kommissare noch einmal, Herrn Dr. Teubert nicht allzu lange zu beanspruchen, bevor sie sich entfernte.
Braun kam ohne Umschweife zur Sache: »Herr Dr. Teubert, Sie wissen natürlich, weshalb wir heute hier sind …«
»Ich möchte …«, unterbrach Teubert den Hauptkommissar.
Braun sah sich jedoch gezwungen, ihm seinerseits in die Parade zu fahren. »Bevor Sie irgendetwas sagen, möchte ich Sie gern als Zeugen belehren. Wie ich Ihnen bereits kurz telefonisch mitgeteilt hatte, ermitteln wir gegen Ihre Frau, die verdächtig ist, Sie in den frühen Morgenstunden vor zwei Tagen angeschossen zu haben. Bevor Sie sich hierzu äußern, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie als Ehemann der Beschuldigten das Recht haben, aus persönlichen Gründen die Aussage gegen Ihre Frau zu verweigern. Sollten Sie sich indes entschließen, Angaben zur Sache zu machen, haben Sie die Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Wie wollen Sie es halten?«
Der Arzt schwieg eine Weile und schien darüber nachzudenken, wie er sich entscheiden soll.
»Kann ich sicher sein, dass sie entlassen wird, wenn ich keine Angaben mache?«, fragte Teubert endlich.
»Wie soll ich diese Frage verstehen?« Braun sah sein Gegenüber eindringlich an. »Sie sind nicht berechtigt, den Inhalt Ihrer Aussage von dem zu erwartenden Ergebnis abhängig zu machen. Sie sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, wenn Sie sich zu einer Aussage entschließen.«
»Dann möchte ich Angaben machen«, entschied Teubert.
»Gut«, gab Braun zurück und zückte seinen Notizblock und einen Kugelschreiber, »dann möchte ich Sie bitten, uns zu schildern, was sich in der fraglichen Nacht, in der Sie angeschossen wurden, zugetragen hat.«
Teubert räusperte sich. »Ich bin sicher, dass alles, was meine Frau Ihnen erzählt hat, dem entspricht, was sie erlebt hat.«
»Was meinen Sie mit: ›Was Ihre Frau erlebt hat?‹ Mich interessiert jetzt im Moment ausschließlich, was Sie erlebt haben, Herr Dr. Teubert«, erwiderte Braun.
Der Arzt schien einen Moment lang zu zögern. »Das kann ich leider nicht«, antwortete er matt.
»Wie darf ich das verstehen?«, fragte der Hauptkommissar irritiert.
»Ich kann Ihnen Ihre Frage nicht beantworten, weil ich keine Erinnerung daran habe, was sich in dieser Nacht in unserem Haus ereignet hat«, antwortete er und sah Braun dabei direkt in die Augen. »Offenbar leide ich unter einer partiellen Amnesie.«
Braun tauschte einen vielsagenden Blick mit Bendt. Er fragte sich, ob der auch das Gefühl hatte, dass der Mediziner sie anlog.
»Gut«, fuhr Braun fort. »Dann möchte ich Sie bitten, uns zu sagen, wo Ihre Erinnerung an dem fraglichen Abend endetund wo Sie gegebenenfalls in der Nacht oder dem folgenden Tag wieder einsetzt.«
Teubert setzte sich in seinem Bett zurecht und nestelte an der Verschlusskappe der Braunüle herum, die unter einem Verband an seiner rechten Hand hervorlugte: »Ich erinnere mich nur
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