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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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ließ die Tür hinter Georg ins Schloss fallen.
    »Eigentlich müssten wir zwar längst gestiefelt und gespornt hier stehen, weil Emily schon heute Morgen um halb sechs angefangen hat, ihre Tasche für ihren Besuch bei dir zu packen, wir sind aber kurioserweise trotzdem nicht fertig.« Anna stemmte ihre Hände in die Hüften und blickte ihre Tochter mit gespielt strenger Miene an. Sie versuchte ganz bewusst, fröhlich zu klingen und sich die große Anspannung, unter der sie stand, nicht anmerken zu lassen.
    »Emily fand heute mal wieder, dass Viertel nach fünf, auch an einem Sonntag, eine hervorragende Zeit sei, um mich in meinem Bett zu überfallen und aus dem Tiefschlaf zu rütteln.«
    »Ich weiß genau, wovon du sprichst.« Georg zwinkerteAnna zu, die ihm ansehen konnte, dass er ihre aufgesetzte Fröhlichkeit als das entlarvte, was sie war: Fassade.
    »Ich glaube, Emilys morgendlicher Überfall war heute genau das richtige Rezept, um dich zu wecken«, sagte Georg, und er hatte recht. Denn sie hatte sich nicht, wie sonst, müde und ein bisschen genervt noch einmal das Kissen über den Kopf gezogen und sich nach ein paar weiteren Minuten kostbaren Schlafes gesehnt, sondern war einfach nur dankbar dafür gewesen, an diesem Tag wenigstens ihre jüngste Tochter in die Arme schließen zu dürfen. Heute war Maries Todestag und gleichzeitig der Tag, an dem sie sechs Jahre alt hätte werden sollen. Marie hatte nur wenige Stunden gelebt, und jede Sekunde dieser kostbaren Zeit hatte sich in Annas Gedächtnis eingebrannt. Seit Emily auf der Welt war, war der Schmerz für Anna erträglicher geworden, und gerade am Todestag von Marie halfen Emilys Unbefangenheit und ihre Fröhlichkeit ihr, mit dem Verlust umzugehen. Anna zwang sich, sich zusammenzureißen und den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken.
    »Möchtest du vielleicht einen Kaffee, bevor ihr losfahrt?«, fragte sie.
    »Sehr gern!« Georg setzte Emily auf dem Boden ab und zog seine Jacke aus. Er tat einfach so, als hätte er die Tränen, die Anna in den Augen standen, nicht bemerkt.
    »Ist der Herr Kommissar nicht da?«, erkundigte er sich.
    Anna warf ihm einen strafenden Blick zu und half ihm dann, an der überfüllten Garderobe einen Platz für seine Jacke zu finden.
    »Mein Kommissar heißt Ben Bendt und ist mal wieder außerplanmäßig im Dienst.« Die kleine Stichelei war typisch für Georg und schon fast zu einem kleinen Ritualzwischen ihnen geworden. Anna war dankbar, dass Georg sich auch heute nicht zurückhielt. Er besaß die richtigen Antennen, um zu erkennen, ob Anna auf Marie angesprochen werden wollte oder nicht. Und er gehörte nicht zu den Menschen, die laut aussprechen mussten, dass sie Mitleid empfanden oder für sie da sein würden.
    »Möchtest du noch einen Kakao?«, fragte Anna, und Emily lief sogleich begeistert in die Hände klatschend über den Flur voraus in Richtung Küche. Anna folgte ihr und kam ins Stolpern, als das Mädchen plötzlich wie angewurzelt stehenblieb.
    »Vorsicht«, rief Georg und griff helfend nach Annas Arm, während Emily auch schon auf dem Absatz kehrtmachte und mit den Worten: »Ich muss was holen!«, zurück durch den Flur und die Treppe in ihr Zimmer hoch jagte.
    Anna und Georg sahen ihr lachend nach und gingen dann gemeinsam in die Küche, wo Anna sich sofort daranmachte, Milch aufzuschäumen und Espresso aufzubrühen.
    »Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, dass es hier inzwischen ganz anders aussieht«, stellte Georg fest und blickte über die Mittelinsel in den geräumigen offenen Wohnbereich hinüber. »Das ist wirklich richtig schön geworden«, sagte er anerkennend.
    »Danke. Ich habe dieses Haus besonders günstig von einem sehr wohlhabenden Immobilienkaufmann und Bauunternehmer erwerben dürfen«, spielte sie zwinkernd auf die Tatsache an, dass das Haus früher Georg gehört hatte und er es ihr zu einem Preis überlassen hatte, der als weit mehr als nur fair zu bezeichnen war.
    »Ach, das muss ja wirklich ein besonders netter Mann sein«, sagte Georg mit einer unüberhörbaren Ironie in der Stimme.
    »Ist er«, bestätigte Anna. Sie war unendlich dankbar dafür, dass es Georg gab und sie ein so ungezwungenes Verhältnis zueinander hatten. Sie waren ein halbes Leben lang nur gute Freunde gewesen, und dann hatten sie in einer einzigen folgenschweren Nacht miteinander geschlafen und Emily gezeugt. Georgs Ehe steckte damals in einer tiefen Krise und war quasi emotional schon geschieden. Auch Annas

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