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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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und dass diese Beziehung zwar unkompliziert, aber auch ein bisschen oberflächlich war. Bendt hatte sein Junggesellenleben nie ganz aufgegeben, und wenn sie ehrlich war, hatte sie das noch nicht einmal ernsthaft gestört. Anna hatte auch nie wirklich versucht, ihn dazu zu bewegen, bei ihr einzuziehen, geschweige denn Verantwortung für sie und Emily zu übernehmen.
    Emily und Lena sangen und klatschten bei dem Stück begeistert mit. Ihre glänzenden Kinderaugen verrieten, dass sie sich ganz in der Welt der ebenso lustigen wie spannenden Geschichte verloren. Als die Darsteller ihre letzte Zugabe zum Besten gaben und Anna und Toms Blicke sich begegneten, musste Anna sich zusammenreißen, um ihre Befangenheit zu verbergen.

30
    »Hier steckst du also«, sagte Teubert und trat in das Zimmer von Hanna Frombach.
    Carla saß auf der Kante des Bettes ihrer Schwester und hielt ein Kinderfoto der Zwillinge in der Hand, das sie vom Nachtschrank genommen hatte.
    Teubert setzte sich neben seine Frau und legte ihr seinen Arm um die Schulter. »Warum tust du dir das an?«, fragte er. Seine Stimme klang besorgt.
    Carla legte das Bild zur Seite und rückte ein Stück von ihrem Mann ab. Seit sie aus der Haft entlassen worden war, hatte sie immer wieder das Bedürfnis, mit Hanna in Kontakt zu treten, um nach Antworten auf ihre Ängste zu suchen. Deshalb war sie auch einige Tage zuvor in der Wohnung in der Königstraße gewesen.
    Sie hatte immer mehr das Gefühl, in Hannas Haut zu stecken, vertraute ihren eigenen Wahrnehmungen nicht mehr. Sie hinterfragte jeden Schritt, den sie tat, und glaubte oft, Dinge an einem anderen Platz abgelegt zu haben als dort, wo sie sie fand.
    Konrad stand ihr bei und hatte für alles stets eine plausible Erklärung. Als er sofort die Polizei alarmiert hatte, nachdem sie nicht pünktlich nach Hause gekommen war, war sie sicher gewesen, dass sie ihm viel bedeutete. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren, während sie dort oben gestanden und in die Tiefe geblickt hatte. Am liebsten wäre sie ihrer Schwester gefolgt und hatte es dann doch nicht getan, sondernsich zusammengekauert und geweint, bis Konrad sie gefunden und in seine Arme geschlossen hatte.
    In jener Nacht hatten sie zum ersten Mal seit Wochen wieder miteinander geschlafen. Sie blickte ihn für eine Weile an.
    »Ich war heute bei dir in der Praxis«, sagte sie tonlos. »Ich wollte dich zum Mittagessen abholen. Du warst nicht da.«
    Es entstand eine Pause.
    »Das tut mir leid, warum hast du nicht vorher angerufen?«, fragte er. »Was für eine schöne Idee!«
    Carla beantwortete seine Frage nicht: »Ich habe deine Mitarbeiterin, Frau Kiefer, getroffen«, sagte sie stattdessen ernst und registrierte sofort den alarmierten Ausdruck, der für den Bruchteil einer Sekunde in seinen Augen zu lesen war.
    »Und, was hat sie gesagt?«, fragte er scheinbar beiläufig.
    »Sie hat mir gar nichts gesagt«, antwortete Carla bitter. »Aber du hast es gerade getan.« Sie wandte sich von ihm ab und starrte vor sich auf den Boden.
    »Es ist merkwürdig«, sagte sie nach einem Moment des Schweigens. »Ich kann nicht einmal weinen.«
    Carla hatte es geahnt, aber nicht wahrhaben wollen, als sie der jungen Frau auf dem Weg zur Toilette in die Arme gelaufen war. Zwar war Carla daran gewöhnt, dass die Leute oft unbeholfen reagierten, weil sie nicht wussten, wie sie ihr Beileid ausdrücken sollten, aber die junge Frau hatte sich ungleich seltsamer verhalten als andere. Sie war spontan knallrot angelaufen, als sie Carla gegenübergestanden und an sich heruntergeschaut hatte. Die Art und Weise, in der sie dann ihren Pullover glattgestrichen hatte, war für Carla sofort ein Indiz dafür gewesen, dass die junge Frau schwangerwar. Als Carla ganz unbedarft gratuliert und nach dem glücklichen Vater gefragt hatte, waren der Arzthelferin die Tränen in die Augen geschossen, und sie war schluchzend hinausgelaufen.
    »Es war nur so ein spontanes Gefühl, das ich nicht wahrhaben wollte und auch absurd fand.« Carla blickte durch die Balkontür hinaus ins Freie. »Ich dachte, jetzt bilde ich mir auch schon ein, dass du mich betrügst, nur weil eine junge Frau unglücklich verliebt ist.« Sie lachte bitter auf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Jetzt weiß ich, dass es stimmt.«
    Teubert packte seine Frau an den Schultern und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
    »Ich will es nicht leugnen«, erklärte er ernst. »Es ist passiert, Carla, und es gibt nichts daran zu

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