Schneetreiben
bereits wiederin seinem Büro oder andernorts aufgehalten haben sollte und dort von Dritten gesehen worden war.
»Also gut«, murmelte Braun. »Wussten Sie, dass die Frau Ihres Geliebten an diesem Tag in der Königstraße einen Termin hatte?«
»Ja, das wusste, glaube ich, fast jeder in der Praxis, weil der Kollege, der die Wohnung eventuell anmieten wollte, schon Wochen zuvor darüber herumlamentiert hat, ob es sinnvoll sei, eine Wohnung der Frau seines Chefs zu beziehen. Er hat auch an dem Freitag vor der geplanten Besichtigung in der Mittagspause von der Verabredung erzählt. Das haben sicher viele Kollegen mitgekriegt.«
Braun nickte. Ähnliche Informationen hatte er von dem Zeugen Köhler erlangt, wenngleich der Susan Kiefer nicht persönlich als Zuhörerin bezeichnet hatte.
»Sie sagten vorhin, dass Sie geglaubt hätten, Carla Frombach sei tot«, wiederholte Braun die Angaben der Zeugin, »ich darf also davon ausgehen, dass Sie keine Kenntnis von der Planänderung der Schwestern an diesem Tage hatten?«
»Nein, davon wusste ich nichts.«
»Wie kamen Sie denn darauf, dass Carla Frombach tot sei?«, erkundigte sich Bendt.
»Ich kam am Montag in die Praxis«, berichtete Susan Kiefer und schien in ihren Gedanken zu diesem Tag zurückzuwandern. »Es war merkwürdig. Am Wochenende hatte ich im Radio gehört, dass in der Innenstadt eine Frau von einem Balkon gestürzt war. Dabei habe ich mir zunächst gar nichts gedacht und wäre auch nicht darauf gekommen, dass das Frau Frombach gewesen sein könnte. Aber als ich dann am Montag in die Praxis kam und hörte, wie Stefan Köhler am Tresen stand und erzählte, dass Carla Frombach nicht zuder Verabredung gekommen war, und meine Kollegin Jutta gleichzeitig alle Termine wegen eines Todesfalls absagte, da …« Susan Kiefer kreuzte ihre Arme vor der Brust und rieb sich die Schultern, als würde sie frieren. Dann traten ihr wieder Tränen in die Augen. »Es hätte alles so einfach gemacht«, flüsterte sie.
Braun ließ der Zeugin einen Moment lang Zeit, um sich zu sammeln.
»Weiß Herr Teubert, dass Sie ein Kind bekommen«, fragte er.
Susan Kiefer nickte.
»Wie hat Herr Teubert reagiert?«
»Er …« Susan Kiefer biss sich auf die Unterlippe. »Er wird mich unterstützen«, sagte sie und sah gleichzeitig völlig verzweifelt aus.
»Darf ich das dahingehend deuten, dass Herr Teubert Ihnen keine Hoffnungen auf ein Zusammenleben gemacht hat?«
Die junge Frau schniefte. »Er hat nicht vor, sie zu verlassen«, sagte sie mit Bitterkeit in der Stimme. »Sein Leben gefällt ihm, glaube ich, genau so, wie es ist.«
Braun atmete einmal tief durch. Immerhin schien die junge Frau sich keine falschen Hoffnungen zu machen. Braun hatte inzwischen ein ziemlich genaues Bild davon, wie Teubert tickte. Er gehörte ganz offenbar zu den Typen, die keine Gewissensbisse hatten, wenn sie im Liebesleben zweigleisig fuhren. Eine Frau fürs Renommee, die sich in der Gesellschaft bewegen konnte und ihm ein angenehmes Zuhause bot, und eine, an der er seine Libido abarbeiten und sein Selbstbewusstsein aufpolieren konnte.
»Was wollten Sie denn vorgestern eigentlich von FrauFrombach?«, fragte Braun. »Warum sind Sie ihr nachgegangen?«
Susan Kiefer richtete ihren Blick zur Decke und blinzelte ihre Tränen weg, bevor sie antwortete.
»Sie ist in der Stadt rein zufällig an mir vorbeigegangen. Ich weiß nicht, warum, aber ich bin ihr einfach gefolgt …«
»Irgendeinen Grund müssen Sie doch gehabt haben, ihr nachzugehen?«
»Ich bin bis vor die Wohnungstür gegangen«, erklärte Susan leise. »Ich habe sogar geklopft, aber sie hat nicht aufgemacht.«
»Was wollten Sie von ihr?«
»Ich wollte ihr eigentlich nur sagen, dass ich sie gesehen habe und ihr mein Beileid aussprechen wollte.«
Braun zog die Stirn in Falten.
»Kennen Sie Frau Frombach so gut, dass das angemessen gewesen wäre? Was haben Sie sich davon versprochen?«
Susan Kiefer zögerte einen Moment, bevor sie antwortete, aber Braun nahm deutlich wahr, dass Wut in ihren Augen aufflammte.
»Es ging mir nicht um Frau Frombach. Ich wollte das tun, damit Konrad weiß, dass ich jederzeit mit seiner Frau sprechen kann.«
Braun stützte sich mit den Ellenbogen auf seinem Schreibtisch auf und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.
Bendt wandte sich derweil der Zeugin zu. »Glauben Sie, einen Mann wie Konrad Teubert damit beeindrucken zu können, dass Sie ihm zeigen, auch er sei angreifbar und vielleicht sogar
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