Schneller als der Tod
zu ihrem Zimmer.
Drinnen, hinter der Tür, ist eine Menschenansammlung: der Oberarzt von der Visite (ausgerechnet), Zhing Zhing, unsere vier Studenten und die Oberassistenzärztin. Dazu kommen zwei Assistenzärzte, die ich nicht kenne. Der eine, ein dunkler, gutaussehender Typ mit einem irren Gesichtsausdruck, hält eine Riesenspritze in der Hand. Der andere hat etwas Vogelartiges an sich und sieht verärgert aus.
»Ausgeschlossen«, sagt die Oberassi gerade zu dem mit der Spritze. »Mm, Doktor.« Sie stellt sich zwischen ihn und das Bett.
Ich sage »Hi« und strecke Arschmann die Faust hin, damit er mit den Fingern dranklopft, aber er starrt mich nur böse an. »Wer sind Sie?«, sage ich zu den Ärzten.
»Infektiologie«, sagt der mit der Spritze. Infektionskrankheiten.
»Pathologie«, sagt der andere. »Haben Sie mich angepiept?«
»Vor ungefähr einer Stunde«, sage ich. »Haben Sie
mich
angepiept?«
»Ich, Sir«, sagt einer der Studenten.
»Der Mann möchte die Läsionen punktieren«, sagt die Oberassi und meint den Infektiologen.*
(»Läsion« ist unspezifischer, aber ungemein nützlicher (weil so nach Eiterherd klingender) Begriff für jede Art von Abnormität.)
»Okay«, sage ich.
»Okay?«,
sagt die Oberassi. »Dieser Patient hat einen unbekannten Erreger, der sich
ausbreitet,
und Sie wollen riskieren, dass er noch weiter verbreitet wird?«
»Ich möchte feststellen, um was es sich handelt«, sage ich.
»Haben Sie daran gedacht, das Zentrum für Gesundheitsüberwachung zu verständigen?«
»Nein«, sage ich.
Und das stimmt.
»Es ist ja schon von seinem Glutäus zum oberen Thorax gewandert«, sagt der Infektiologe. »Wohin soll es da noch groß übergreifen?«
»Auf meine ganze verdammte Station vielleicht?«, sagt die Oberassi.
Der vogelähnliche Pathologe funkt dazwischen. »Warum haben Sie
mich
angepiept?«, sagt er.
Die Oberassi beachtet ihn nicht und wendet sich an den Oberarzt. »Was meinen Sie?«
Der Oberarzt sieht auf seine Uhr und zuckt die Achseln. »Ich geh rein«, sagt der Infektiologe. »Warten Sie -«, sagt die Oberassi.
Aber der Infektiologe schiebt den Ellbogen an ihr vorbei und nimmt die Nadel hoch. Tippt zweimal leicht an den oberen Brustkorb von Arschmann, der beim zweiten Tipper zu schreien anfängt. Der Infex lässt den Finger da und versenkt die Nadel direkt daneben, dann zieht er rasch den Kolben hoch. Arschmanns Aufheulen wird schriller, und die Spritzenkammer füllt sich mit gelb durchquirltem Blut.
»Verdammt nochmal!«, schreit die Oberassi.
Der Infektiologe zieht die Nadel raus und dreht sich selbstzufrieden zu ihr um, überschätzt aber den Abstand zwischen ihnen. Denn es ist kein Abstand da. Als die angerempelte Oberassi nach hinten taumelt, reißt sie den Infektiologen mit, und beide stürzen gemeinsam.
Genau auf mich zu.
Ich mache einen Schritt zur Seite, aber einer der Studenten ist im Weg und japst, weil ich auf seinem Fuß stehe. Ich knalle gegen die Wand und kann nur noch den Arm hochziehen, um mein Gesicht zu schützen. Die Nadel bohrt sich bis zum Anschlag in ihn hinein.
Es ist still.
Dann rappeln sich die Leute hoch und weichen vor mir zurück. Ich stehe auch auf. Sehe auf meinen Arm. Die Spritze steckt drin, leer, der Kolben ganz runter. Ich spüre den Schmerz, den jede große Injektion hervorruft, weil sie die Gewebeschichten zerteilt. Ich drehe mir die Spritze aus dem Arm.
Ziehe die Nadel ab und werfe sie in den Abwurf für spitze Gegenstände an der Wand hinter mir. Dann packe ich den Infektiologen an seinem OP-Hemd und stecke ihm die Sprit ze in die Tasche. »Kratzen Sie raus, was Sie können, und analysieren Sie's«, sage ich ihm. »Nehmen Sie den Pathologietypen mit.«
»Ich weiß ja noch nicht mal, weshalb ich hier bin«, quengelt der Pathologe.
»Passen Sie bloß auf, dass ich Ihnen nicht weh tue«, sage ich zu ihm.
»Dr. Brown«, sagt der Oberarzt.
»Ja, Sir?«, sage ich, die Augen immer noch auf dem Infektiologen.
»Lassen Sie mich fünf Minuten früher gehen?«
»Sie sind doch schon vor zehn Minuten weg«, sage ich ihm.
»Aus Ihnen spricht ein wahrer Mensch, Junge. Tschüs«, sagt er und geht.
Alle anderen stehen da wie angewurzelt.
»Rührt euch, ihr verdammten Arschlöcher«, sage ich ihnen.
Ich bin schon fast aus dem Zimmer, als ich merke, dass etwas nicht stimmt. Noch etwas, meine ich.
Duke Mosbys Bett ist leer. »Wo ist Duke Mosby?«, sage ich.
»Vielleicht macht er einen Spaziergang«, sagt einer der
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