Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
Vom Netzwerk:
habe keine Ahnung. Vielleicht hat er sie gehört. Es ist lange her.«
    »Sie wissen es nicht mehr?« »Nein.«
    »Zwei Juden sind bei Ihnen eingestiegen und haben Sie gefesselt, und Sie erinnern sich nicht, woher Ihr Bruder wusste, dass sie auf dem Weg zu Ihnen waren?«
    »Nein.«
    »Wusste er es vielleicht, weil er und Sie ihnen Geld abgenommen hatten für das Versprechen, ihre Verwandten zu retten?«
    Sie wurde ganz still. »Wieso stellen Sie mir diese Fragen?«
    »Weil ich wissen möchte, was geschehen ist.«
    »Warum sollte ich mit Ihnen darüber sprechen?«
    Ich dachte darüber nach. »Weil Sie und ich die beiden einzigen Menschen auf Erden sind, die es kümmert, und weil Sie nicht so aussehen, als ob Sie es noch lange machen.«
    Sie sagte etwas in der Art von »Hüte deine Zunge«.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist. Bitte.«
    Eben noch blass im Gesicht, lief sie rot an. »Wir haben den Juden Hoffnung verkauft. Die konnten es sich weiß Gott leisten.«
    »Haben Sie welche gerettet?«
    »Im Krieg war es unmöglich, Juden zu retten. Selbst wenn man wollte.«
    »Und wenn die Ihnen auf den Zahn gefühlt haben, haben Sie sie umbringen lassen.«
    Davon wollte sie nichts hören. »Gehen Sie jetzt«, sagte sie.
    »Warum haben Sie sie so gehasst?«, fragte ich.
    »Sie beherrschten das ganze Land«, sagte sie. »Genau wie sie jetzt Amerika beherrschen. Verlassen Sie mein Haus.«
    »Ja«, sagte ich. »Wenn Sie mir die Namen der Juden sagen.«
    »Ich habe keine Ahnung!«, sagte sie. »Raus!« Ich stand auf. Mehr Gewissheit würde ich nicht bekommen.
    Ich ging zur Tür. Eisiger Wind drang herein, als ich sie öffnete.
    »Warten Sie«, sagte sie. »Sagen Sie mir nochmal, wie Ihre Großeltern hießen.«
    Ich drehte mich um. »Das werde ich wohl nicht tun«, sagte ich. »Ich frage mich nur, warum sie Sie am Leben gelassen haben.«
    Sie starrte mich an. »Das habe ich mich auch immer gefragt«, sagte sie.
    Ich ging und zog die Tür hinter mir zu.

    Fürs Protokoll sei festgehalten, was ich mir vornahm:
    Keine weiblichen Zielobjekte (verstand sich), aber auch keine, deren Verfehlungen einzig in der Vergangenheit lagen. Nur solche, die noch eine Bedrohung darstellten. Ich hatte keine Ahnung, warum meine Großeltern Blancha Przedmiescie am Leben gelassen hatten, aber sie war eine Frau, und der Tod ihres Bruders hatte genügt, um beiden das Handwerk zu legen. Zweck erfüllt.
    Wenn David Locano mich also Mördern auf den Hals schicken wollte, deren Tod ein Gewinn für die Welt war, dann würde ich seine Angaben prüfen und mich nicht nur berufen, sondern verpflichtet fühlen, sie zur Strecke zu bringen und zu töten.
    Keinen Augenblick dachte ich daran, dass meine Großeltern, wären sie mit dieser Handlungsweise einverstanden gewesen, mir vielleicht weniger Frieden und Toleranz gepredigt und mehr von ihrem Mordanschlag auf Budek erzählt hätten. Ich hielt es nicht für nötig, über derlei nachzudenken. Das Schicksal selbst hatte mir den Weg gezeigt.
    Ach, die Jugend. Sie ist wie Heroin, das man geraucht hat, statt es zu schnupfen. So schnell vorbei, man fasst nicht, dass man noch dafür bezahlen muss.
     

Kapitel 9
    Ich bin auf dem Weg ein paar Leuten einen Katheter zu legen, als meine Medizinstudenten mich finden. «Die 5-Jahre-Überlebensrate Z.n.*
(»Z.n.« steht für »Zustand nach« oder einfach »nach« und besagt »aber nicht unbedingt verursacht durch.« Es ist Fachsprache für: »Dann verklag mich doch, du Arsch.«)
Gastrektomie liegt bei zehn Prozent«, sagt einer von ihnen. »Aber nur fünfzig Prozent überleben die Operation.« »Hm«, sage ich.
    Einerseits bedeutet das, wenn Squillante die Operation übersteht, liegen seine Chancen, noch fünf Jahre am Leben zu bleiben, eher bei zwanzig als bei zehn Prozent, da die zehn Prozent vermutlich die Leute einschließen, die bei der Operation sterben. Andererseits stehen die Chancen fifty-fifty, dass Squillante heute stirbt, auf der Platte. Und mir damit David Locano auf den Hals hetzt.
    Die Aufzugtür öffnet sich vor uns: Arschmann wird auf seinem Bett hinweggerollt. Hauptsächlich, damit es aussieht, als ob ich was tue, laufe ich neben ihm her.
    »Wie geht's Ihnen?«, sage ich.
    Er liegt immer noch auf der Seite. »Ich verrecke, Sie blödes Arschloch«, sagt er. Oder etwas in der Richtung. Seine Zähne klappern zu laut, als dass man sicher sein könnte.
    Meine Aufmerksamkeit ist geweckt. Er sieht tatsächlich aus, als ob er stirbt. »Allergisch gegen irgendwelche

Weitere Kostenlose Bücher