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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Tür ist. »Ich glaub, das war die Neue.«
    Ah ja. Der Vorhang ist jetzt zugezogen, und man hört Stimmen dahinter. Ich gebe Osteosarkomgirl einen Klaps auf das unversehrte Bein, dann klopfe ich an die Wand und ziehe den Vorhang zurück.
    Drei Schwestern sind noch dabei, eine neue Patientin in dem zuvor leeren Bett unterzubringen.
    Auch sie ist noch sehr jung, wenngleich sich ihr Alter nicht genau bestimmen lässt, weil ihr Kopf geschoren und verbunden ist und das vordere linke Viertel davon fehlt. Wo es sein sollte, ist nur eine Delle im Mull.
    Darunter sieht sie mich aus wirren blauen Augen an.
    »Wer ist das?«, frage ich.
    »Neue Patientin, Dr. Brown«, sagt die Oberschwester. »Sie kommt aus der Neurochirurgie.«
    »Hi«, sage ich zu der Patientin. »Ich bin Dr. Brown.« »Ai a lai lai lai«, sagt sie.
    Klar. Bei allen Rechtshändern und den meisten Linkshändern ist der vordere linke Hirnlappen der Ort, wo die Persönlichkeit sitzt. Oder saß. Der Verband über der fehlenden Kopfpartie pulsiert von der Anstrengung des Sprechens.
    »Entspannen Sie sich. Ich lese Ihre Krankenakte«, sage ich ihr und gehe, bevor sie antworten kann.
    Oder auf den Reiz reagieren oder wie immer man es nennen will.

    Kopfgirls Krankenakte ist kurz: »Z.n. Kraniotomie bei septischem Meningealabszess, Z.n. lingualem Abszess, Z.n. elektivem kosmetischem Eingriff an der Zunge, Z.n. Laparotomie wg. nutritiver Schädelknochenplatzierung.«
    Mit andere Worten, sie hat sich die Zunge piercen lassen, und die Entzündung ist ihr aufs Gehirn geschlagen. Dann haben sie ihr den Kopf aufgeschnitten, um dranzukommen, und ihr anschließend das herausgenommene Stück des Schädelknochens unter die Bauchhaut implantiert, um es am Leben zu halten, bis sich zeigt, ob die Infektion wiederkommt.
    Ein Zungenpiercing »kosmetisch« zu nennen ist ein bisschen weit hergeholt, denn man lässt sich das nicht machen, um besser auszusehen. Man lässt es sich machen, weil man derart nach Zuwendung lechzt, dass man unter brutaler Misshandlung der eigenen Person allen zeigen möchte, wie gut man im Schwanzlutschen ist.
    Gott,
denke ich:
Ich bin wirklich schlecht drauf.
    Um die Erkundung des Lustgartens, den Zimmer 808W darstellt, abzuschließen, rufe ich noch die Krankengeschichte von Osteosarkomgirl auf.
    Viel gibt die nicht her: lauter »untypisch« hier und »höchstwahrscheinlich« da. Ihr rechter Oberschenkelknochen blutet manchmal, direkt oberhalb des Knies. Dann auch wieder nicht. Und in ein paar Stunden soll ihr das Ganze von der Hüfte an entfernt werden.
    Der letzte, unmöglichste Scheiß passiert einem.

    Ich mache Kopfgirls Aufnahmepapiere fertig, ohne einen Blick draufzuwerfen, aber bevor ich damit durch bin, werde ich erneut angepiept, diesmal aus dem Zimmer von Duke Mosby und Arschmann.
    Die Sache läuft übrigens so: Akfal und ich sollen jede Woche dreißig Patienten in die Station aufnehmen. Wie lange wir die Leute dabehalten, liegt bei uns. Natürlich sind wir daran interessiert, sie schnell wieder loszuwerden, damit wir uns nicht um sie kümmern müssen. Erscheinen sie allerdings weniger als achtundvierzig Stunden, nachdem wir sie entlassen haben, erneut in der Notaufnahme, müssen wir uns ihrer wieder annehmen. Tauchen sie neunundvierzig Stunden nach ihrer Entlassung wieder auf, werden sie auf gut Glück stationiert, als wäre es ihre Ersteinweisung, und die Chancen stehen fünf zu eins, dass jemand anders sie am Kreuz hat.
    Die Kunst besteht darin, genau den Moment abzupassen, wo der Patient so weit okay ist, dass er volle neunundvierzig Stunden außerhalb des Krankenhauses übersteht, und ihn dann zu schassen. Das klingt hart - und es ist auch hart -, aber wenn Akfal und ich damit aufhören, können wir unmöglich noch unsere Arbeit tun.
    Fast ist es so weit. Ein Versicherungsmensch hat vor langer Zeit den Punkt des höchsten uns zumutbaren Drucks ermittelt - unsere eigene 49-Stunden-Marke sozusagen - und versteht es ausgezeichnet, uns da köcheln zu lassen. Neben der Aufnahme neuer und der Entlassung alter Patienten, beides ein Albtraum an Schreibarbeit, finden wir gerade noch Zeit, uns um die bleibenden Patienten zu kümmern.
    Das heißt, nach einem Patienten zu sehen, den wir uns am selben Tag schon angesehen haben - wie Arschmann und Duke Mosby -, ist reine Zeitverschwendung. Es sei denn, der Patient ist unmittelbar in behebbaren Schwierigkeiten.
    Das ist nie auszuschließen, und so laufe ich jetzt wieder zur Feuertreppe und durch den Gang

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