Schneller als der Tod
Taschenlampe an der Rundwand sehen konnten.
»Scheiße«, sagte Lisa.
»Wir können hierbleiben, wenn du willst«, sagte ich zu ihr.
»Ja, klar.« Sie drehte sich nach dem Gang um, den jetzt die Dunkelheit verschluckte. Sie schob sich das schweißfeuchte Haar aus dem Gesicht. »Gehst du vor?«, sagte sie.
»Sicher.« Ich stieg die Treppe hoch.
Bald wurde es stockdunkel, und als ich langsamer ging, schloss sie zu mir auf und fasste mich von hinten um die Taille. Sie hatte sehr feste Arme. Aber gerade, als es anfing mich anzumachen, trat ich Luft und merkte, dass wir oben angekommen waren.
»Denise!«,
zischte Lisa.
»Hier lang«, sagte Denise. Ihre Stimme war kehlig und hallte nach. Lisa und ich folgten ihr durch einen niedrigen Bogengang, passten auf, dass wir uns nicht die Köpfe stießen, und konnten dann plötzlich wieder sehen, obwohl Skinflick die Taschenlampe ausgeschaltet hatte. Denn der Raum, in dem wir herausgekommen waren, hatte Oberlichter an der Decke.
»Raum« ist vielleicht das falsche Wort, aber was immer es war, es war riesengroß, sechseckig, und der Gittersteg, auf dem wir uns befanden, führte wie ein Balkon ringsherum und ließ in der Mitte eine Fläche von rund zehn Metern Breite frei.
Anderthalb Meter unter dem Laufsteg, nicht nur in der Mitte, sondern auch unter dem Metallgitter, auf dem wir standen, war Wasser. Glitzernd vom Widerschein der Oberlichter, sonst aber pechschwarz.
Wir standen über einem riesigen Wasserbecken.
Das ganze verdammte Gebäude war ein Wasserbecken.
Skinflick und Denise beugten sich über das Geländer, wobei er sie von hinten umschlungen hielt. »Na?«, sagte er.
»Was ist das hier?«, fragte ich ihn. Es hörte sich an wie in der Kirche.
»Das Haifischbecken.«
»Das, in dem die Schatztruhe aus der
Andrea Dorla
liegt?«
»Ja, aber die ist schon seit Jahren nicht mehr da.«
Ich war verblüfft. Das Haifischbecken hatte ich ein Dutzend Mal von unten gesehen, durchs Glas, wenn auch nur als Kind. Aber von dort aus war mir das Aquarium als eine einzige große Halle erschienen. Jetzt begriff ich, dass das eine Täuschung war, die sich den tunnelähnlichen Gängen zwischen den freistehenden Becken verdankte.
Das größte Becken war das, über dem wir jetzt standen. Ich hatte es als einen Strudel von riesigen Alptraumtieren in Erinnerung, die mit toten Augen hinter dem Glas kreisten, ohne erkennbare Schwimmbewegungen vollführen zu müssen. Auf dem Sand in der Mitte des Beckens hatte die Schatztruhe aus der
Andrea Dorla
gestanden.
»Was ist mit der Truhe aus der
Andrea Dorla
passiert?«, sagte ich.
»Irgendein Armleuchter hat sie live im staatlichen Fernsehen geöffnet. Bevor das Kabelfernsehen kam.« »Nicht möglich. Was war drin?«
»Was glaubst du wohl? Unsere ganze Kinderzeit hindurch hatten sie das Ding im Haifischbecken stehen. Voll Schlamm war's.«
Lisa räusperte sich. »Sind da jetzt Haie drin?«, sagte sie.
»Lisa, es ist ein Haifischbecken«, sagte Denise.
Skinflick knipste die Taschenlampe wieder an und richtete sie auf die Oberfläche. Man sah wenig mehr als ihren Widerschein.
»Können wir das Licht anmachen?«, sagte ich. Schwere Bogenlampen hingen an den Trägern, die unter der Decke entlangliefen.
Skinflick ließ den Strahl der Taschenlampe darübergleiten, dann knipste er sie aus. »Ich glaube nicht. Die laufen auf Zeitschaltung.«
Lisa sah auf ihre Füße runter. »Ist das Ding stabil?«, sagte sie.
Skinflick sprang in die Höhe und ließ die Füße aufs Gitter krachen, dass es schepperte und vibrierte. »Fühlt sich so an«, sagte er.
»Danke, Adam«, sagte Lisa. »Jetzt muss ich kotzen.«
»Es kommt noch besser«, sagte Skinflick. Er ging um die Ecke, vorbei an einer offenen, frei stehenden Metallkabine, in der zusammengefaltete Taucheranzüge und ein paar Atemgeräte lagen. Zu einem Abschnitt des Gitterstegs, der kein Geländer hatte, sondern nur ein gelbes Nylonseil.
»Adam, was hast du vor?«, sagte Denise.
Ich trat einen Schritt zurück. Instinktiv - man konnte nicht auf diesen Teil des Stegs schauen, ohne ans Reinfallen zu denken.
»Ich lasse die Rampe runter«, sagte Skinflick.
Die Rampe war auf den Steg hochgeklappt. Skinflick hob sie an und ließ sie aufs Wasser fallen. Das überlaute Klappern, mit dem die Rampe einrastete - nicht waagerecht, sondern in einem Winkel von fünfundvierzig Grad aufs Wasser zu - hörte nicht auf, und die Plattform erzitterte, als wollte sie uns ins Wasser schleudern.
»Guckt mal die
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