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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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ich.
    »Er bat um eine Decke.«
    »Haben Sie ihm eine gegeben?«
    »Eine Jacke, die ein Kunde vergessen hat. Hab sie ihm umgehängt.« Er sieht sich um und beendet einen neuerlichen Pfeifanfall mit einem Frösteln. »War's das?«
    »Ja«, sage ich. »Aber Sie haben was gut bei uns. Kommen Sie mal vorbei, damit wir uns Ihr Emphysem ansehen können.«
    Der Mann schielt auf das »Dr. Lottie Luise«-Monogramm auf meinem weißen Kittel. »Danke, Dr. Luise«, sagt er.
    »Ich heiße Peter Brown. Das ist Mershawn. Wir nehmen Sie gratis dran.«
    Der Mann gibt ein keuchendes Lachen von sich, das in ein Würgen mündet. »Schätze, mit mir ist es überhaupt erst so weit gekommen, weil ich
nicht
im Krankenhaus war.«
    »Kann sein«, muss ich sagen.

    Auf dem Weg zum Park fragt Mershawn mich, woher ich wusste, dass der Typ ein Emphysem hatte, und ich zähle die äußeren Anzeichen auf, die bei ihm zu erkennen waren. Dann sage ich: »Lehrstunde, Mershawn. Wer pfeift?«
    »Arschlöcher?«
    »Okay. Wer noch?«
    Mershawn denkt drüber nach. »Leute, die über etwas nachdenken und sich unwillkürlich an einen Song erinnern, der davon handelt. Wie wenn man bei einer Prüfung über den Hirnnerv 11 plötzlich >Immer schön den Kopf hoch< pfeift.«
    »Gut«, sage ich. »Aber viele Leute pfeifen auch, weil sie unbewusst den Luftdruck in ihrer Lunge zu erhöhen versuchen, um das Gewebe besser mit Sauerstoff zu versorgen.«
    »Echt?«
    »Echt. Erinnern Sie sich an die Zwerge aus
Schneewittchen,
die im Bergwerk arbeiten?« »Ja, okay.«
    »Wenn Sie eine Staublunge hätten, würden Sie auch wie verrückt pfeifen.« »Verdammt.« »Allerdings.«
    Für den Rest des Blocks komme ich mir vor wie Professor Marmoset.

    Duke Mosby finden wir in einem gefliesten Pavillon, der vom Riverside Park hinunter auf den Hudson blickt. Es ist eine grandiose Aussicht, für die man aber einen nassen Flatterwind vom Fluss her in Kauf nehmen muss. So einen, der durch die Lüftungslöcher in den Plastikclogs zieht. Schneeflocken stieben gleichzeitig vom Boden hoch und wirbeln vom Himmel runter. Sie verfangen sich in Mosbys Haaren und Augenbrauen.
    »Was ist los, Mr Mosby?«, rufe ich ihm durch den Wind zu. Er dreht sich um und lächelt. »Nicht viel, Doktor. Und bei Ihnen?«
    »Kennen Sie Mershawn?«
    »Klar«, sagt er, ohne ihn anzusehen. »Doktor, sagen Sie mal. Warum ist es so wichtig, sich von Zeit zu Zeit den Fluss anzusehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sage ich. »Die Lektion habe ich vielleicht im Studium verpasst.«
    »Ich glaube, wir alle müssen ab und zu
irgendetwas
sehen, das Gott geschaffen hat. Würden sie im Kriegsgefangenenlager ein paar Pflanzen aufstellen, gäb's vielleicht nicht so viel Ausbrüche.«
    »Wenn schon was Gottgeschaffenes«, sagt Mershawn, »dann guck ich mir lieber eine Muschi an.«
    »Sehen Sie hier irgendwo eine Muschi?«, fragt Mosby ihn. »Nein, Sir.«
    »Dann müssen wir uns wohl an den Fluss halten.« Mosby bemerkt Mershawns Frisur und sagt: »Großer Gott, was haben Sie denn auf dem Kopf?«
    Mir kommt der Gedanke, dass ich vielleicht dabei bin, den Verstand zu verlieren.
    »Können wir mal zum Krankenhaus zurückgehen?«, sage ich.

    Im Foyer versuche ich beinah reflexhaft noch einmal Professor Marmoset zu erreichen. Auf Firefly gefasst, beiße ich die Zähne zusammen, aber er kommt selbst an den Apparat.
    »Ja, hallo Carl -«, sagt er.
    »Professor Marmoset?«
    »Ja?« Er ist verwirrt. »Mit wem spreche ich?«
    »Hier ist Ismael«, sage ich. »Einen Moment bitte.« Ich wende mich an Mershawn. »Kann ich Ihnen das überlassen?«, frage ich ihn.
    »Das schaffe ich, Doc«, sagt er.
    »Ich glaube Ihnen«, sage ich und sehe ihm in die Augen, was die Menschen manchmal anspornt. »Bringen Sie ihn in die KG, warten Sie zwanzig Minuten und fragen Sie, warum er nicht für seine Gymnastik aufgerufen worden ist. Sagt man Ihnen, dass er keinen Termin hat, schaffen Sie ihn wieder auf die Station und sagen, KG hat die Termine durcheinandergebracht. Verstanden?« »Ja.«
    »Ich glaube Ihnen«, sage ich noch mal. Dann wende ich mich ab und nehme die Hand vom Telefon. »Professor Marmoset?«
    »Ismael! Lange kann ich nicht reden, ich erwarte einen Anruf. Was gibt's?«
    Ja, was gibt's? Ich bin so froh, ihn tatsächlich am Apparat zu haben, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wo ich anfangen wollte.
    »Ismael?«
    »Ich habe einen Tumorpatienten mit Siegelringzellen«, sage ich.
    »Das ist schlecht. Okay.«
    »Ja. Ein gewisser Friendly macht die

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