Schneller als der Tod
Laparotomie. Ich habe ihn recherchiert -« »John Friendly?« »Ja.«
»Und das ist ein Patient von
Ihnen«
»Ja.«
»Lassen Sie das jemand anders machen«, sagt er. »Warum?«, frage ich.
»Weil Sie vermutlich möchten, dass er am Leben bleibt.« »Aber Friendly ist der bestbewertete Magenchirurg von New York.«
»In einer Illustrierten vielleicht«, sagt Professor Marmoset. »Er poliert seine Zahlen auf. Der bringt eigene Blutkonserven mit in den OP, damit er keine Transfusionen anführen muss, und dergleichen. In Wirklichkeit ist er gemeingefährlich.«
»Himmel«, sage ich. »Er wollte nicht, dass der Mann eine Patientenverfügung macht.«
»Eben. Wenn Ihr Patient nur noch dahinvegetiert, braucht Friendly ihn nicht als Todesfall zu melden.«
»Scheiße! Wie krieg ich ihn weg von dem Fall?«
»Überlegen wir mal«, sagt Professor Marmoset. »Okay. Sie rufen einen Magenspezialisten namens Leland Marker in Cornell an. Wahrscheinlich läuft er Ski, aber sein Büro wird ihn ausfindig machen können. Sagen Sie seinem Terminplaner, Bill Clinton braucht eine Laparotomie und hält sich im Manhattan Catholic auf, um der Presse zu entgehen. Sagen Sie ihm, Clinton benutzt ein Alias, und geben Sie ihm den Namen Ihres Patienten. Marker wird stinksauer sein, wenn er hinter den Schwindel kommt, aber dann ist es zu spät, und er muss operieren.«
»Dafür werde ich keine Zeit haben«, sage ich. »Ich glaube, Friendly operiert in ein paar Stunden.«
»Na ja, Sie könnten ihm GHB in den Kaffee tun, aber nach allem, was ich gehört habe, merkt er das wohl gar nicht.«
Ich lehne mich gegen die Wand. Das Klingen in meinem Ohr wird lauter, und ich bekomme Schwindelgefühle.
»Professor Marmoset«, sage ich, »dieser Patient muss mir am Leben bleiben.«
»Klingt, als müsste hier jemand lernen, Abstand zu gewinnen.«
»Nein. Ich bin schlicht darauf
angewiesen,
dass der Patient lebt.«
Schweigen. Professor Marmoset sagt: »Ismael, ist alles in Ordnung?«
»Nein«, sage ich. »Ich muss diesen Patienten durchbringen.«
»Warum?«
»Das ist eine lange Geschichte. Aber ich muss.« »Sollte ich mir Sorgen um Sie machen?«
»Nein. Das würde nichts nützen.«
Wieder ist es still, während er überlegt, wie das hier anzugehen ist.
»Na gut«, sagt er. »Aber nur, weil ich ein paar andere Anrufe erwarte. Ich möchte, dass Sie mich anrufen, wenn Sie mir davon erzählen können. Hinterlassen Sie eine Nachricht. Jetzt aber denke ich, Sie sollten sich waschen.«
»Mich waschen?
Ich habe seit dem Studium nicht mehr operiert. Und schon damals war ich sauschlecht.«
»Stimmt, das weiß ich noch«, sagt er. »Aber schlechter als John Friendly können Sie nicht sein. Viel Glück.«
Dann legt er auf.
Kapitel 12
Ich lernte Magdalena am Abend von Denises Hochzeit kennen, am 13. August 1999. Sie spielte im Streichsextett die Viola. Normalerweise spielte sie in einem Quartett, doch ihr Agent vertrat mehrere Quartette, und wenn ein Sextett gewünscht wurde, wie meist bei einer Hochzeit, dann stellte er eins zusammen. Auf Denises Hochzeit gab es ein Sextett und anschließend einen DJ.
Es war eine große Hochzeit. Sie fand auf dem Land in einem Gesellschaftsclub statt, dem die Familie des Bräutigams angehörte, da sich Denise entschlossen hatte, an der Ostküste zu feiern, wo der größte Teil ihrer ausgedehnten Familie lebte. Skinflick und ich saßen rund eine Meile von ihr entfernt.
Irgendwie schienen alle davon auszugehen, dass es meine Aufgabe war, auf Skinflick aufzupassen und dafür zu sorgen, dass er entweder zu nüchtern blieb oder sich zu sehr betrank, um irgendetwas Peinliches abzuziehen. Es war Drecksarbeit, und ich war sie bald leid. Ich hatte fast so den Katzenjammer wie er und konnte sein Genöle nicht mehr hören. Halb dachte ich, wenn es ihm ernst damit ist, dann sollte er wirklich eine Szene machen und Denise entführen. Sich über die Zwänge von Tradition und Familie hinwegsetzen und sich endlich mal an seinen
Goldenen-Zweig-Schwach
s
inn halten.
Aber Rituale machen uns alle zu Vollidioten. Wie diese Vögel, die mit nach hinten gedrehtem Kopf schlafen, weil ihre Vorfahren einst die Köpfe unter die Flügel gesteckt haben. Plutarch sagt, es ist Unfug, frischgebackene Ehefrauen über die Schwelle zu tragen, weil wir gar nicht mehr wissen, dass sich das auf den Raub der Sabinerinnen bezieht - und das von
Plutarch,
verdammt nochmal, vor zweitausend Jahren. Wir zeichnen den Tod immer noch mit einer Sense. Wir
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