Schneller als der Tod
per Hand hoch.
Eine Schwester schneidet Squillantes Klinikhemd mit der Schere auf, und es zeigt sich, dass sein Hodensack halb bis zu den Knien herunterhängt, wie eine Schürze. Die Schwester greift nach einem Elektrorasierer. Die andere Schwester umwickelt ihm die Gliedmaßen mit etwas, das wie eine Luftmatratze aussieht. Wenn nachher jemand daran denkt, sie einzuschalten, wird sie sich mit heißer Luft füllen und verhindern, dass er Frostbeulen bekommt.
»Sir«, sagt einer der Medizinstudenten hinter mir.
»Wollen Sie sich waschen?«, frage ich.
»Ja, Sir!«
»Bitte sehr«, sage ich. Und zu meinem anderen Studenten: »Schauen Sie bitte mal die LD50 für Defenestrierung nach.«
Dann bitte ich die Springerin - die unsterile OP-Schwester -, Dr. Friendly ans Telefon zu holen.
Friendly meldet sich nach dem fünften Klingeln, außer Atem. Statt »Hallo« oder sonst etwas Annehmbarem sagt er: »Ich bin nicht der Vater. Späßchen. Hier ist Friendly. Wer spricht?«
»Dr. Brown«, sage ich. »Ihr Patient ist so gut wie vorbereitet.«
»Ich dachte, er sei vorbereitet«, sagt Friendly, als er schließlich aufkreuzt. Stacey, mit Mundschutz und Haube, kommt verlegen hinter ihm rein. Friendly hält die Hände hoch, klatschnass, die Handrücken nach vorn.
Squillante
ist
vorbereitet. Er ist bloß nicht drapiert.
Drapieren heißt, alles außer dem zu operierenden Bereich mit Tüchern abdecken. Die meisten Chirurgen wollen dabei sein, wenn das gemacht wird, damit sie den Patienten nicht durch ein Versehen beispielsweise verkehrt herum vor sich haben.
Allerdings ziehen die meisten Chirurgen für eine Gastrektomie auch keine kniehohen Gummistiefel an, wie Friendly sie trägt. Das kann kein gutes Zeichen sein.
Die Hände zu waschen, wie Friendly es gerade getan hat und ich vor einer Dreiviertelstunde, ist übrigens das Beste an der Chirurgie. Man tut es auf dem Flur, indem man die Hüfte vorn gegen das Stahlbecken knallt, um den Hahn anzuwerfen. Trotz der kalten Luft kommt wohltemperiertes Wasser heraus. Man reißt ein aus dem Spender genommenes Päckchen mit einem sterilen Schwamm auf (getränkt in Jod oder einem achtsilbigen künstlichen Desinfektionsmittel von Martin-Whiting Aldomed, das ich vorziehe, wenn auch Jod besser riecht), dann wäscht man sich die Scheiße aus den Händen, auch die unter den Nägeln. Man wäscht immer aufwärts, von den Fingerspitzen zu den Ellbogen, und achtet darauf, dass kein Wasser zurück in Richtung Fingerspitzen läuft. Fünf Minuten lang soll man es machen. Man macht es drei Minuten lang, ein Gefühl wie Urlaub, dann stellt man das Wasser ab. Den Schwamm wirft man einfach in den Ausguss. Denn für die nächsten Stunden ist mit niederen Verrichtungen erst mal
Schluss.
Jetzt dürfen die fünf von uns, die sich »gewaschen« haben -Dr. Friendly, der OP-Pfleger, der Instrumentierpfleger, mein Medizinstudent und ich -, sich buchstäblich nicht mehr am Hintern kratzen. Wir dürfen die Hände noch nicht mal über Halshöhe oder unter Hüfthöhe halten und nichts berühren, das nicht blau ist.*
( Hier kommen wir zu einem offensichtlichen Widerspruch - dass nämlich alles, was in einem OP blau ist, steril sein soll, dass aber unsere blauen OP-Anzüge seit der letzten Wäsche in mindestens einem Fastfood-Restaurant gewesen sind. Was soll ich sagen? Es ist eine unvollkommene Wissenschaft.)
Dr. Friendly trocknet seine Hände an einem blauen Handtuch, dann vollführt er einen kleinen Tanz, bei dem man die Arme in den Papierkittel schiebt, den der OP-Pfleger bereithält, dann die Hände in die Handschuhe, dann die Karte vorn am Kittel abreißt (wobei man nur die blaue Hälfte anfasst) und sie dem Pfleger reicht, der sie in der Hand hält, während man sich einmal um sich selbst dreht, damit sich der Gürtel des Kittels löst und man ihn sich umbinden kann. Friendly trägt dabei eine gelangweilte Miene zur Schau, aber die nehme ich ihm nicht ab. Das wird wahrscheinlich nie langweilig.
»Ich nehme Ketten«, verkündet er. Der Instrumentierpfleger öffnet ein Paar Kettenhandschuhe und lässt sie auf den großen blauen Tisch des OP-Pflegers fallen, von wo Friendly sie aufnimmt und über seine Gummihandschuhe streift.
Er lässt die Fingerspitzen aneinanderklirren. »Jetzt noch ein Paar Dermagels.« Er zwinkert mir zu. »HIV-Risiko. Der Patient trug einen Ring am kleinen Finger, als ich ihn kennenlernte. Für mich heißt das, er ist stockschwul.«
Der OP-Pfleger, ein kleiner Filipino, verdreht die
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