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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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als ob sie jemand anders liebte, und ich verging vor Eifersucht. Immerzu malte ich mir aus, ein anderes Leben, eine andere Vergangenheit zu haben. Sogar, dass ich tatsächlich ein Müllfuzzi wäre.
    Aber das war nicht die Realität. Also beichtete ich ihr. Obwohl der Gedanke, sie könnte mich verlassen, grässlich war.
    Sie verließ mich nicht. Sie weinte stundenlang und ließ mich immer wieder von den Leuten erzählen, die ich umgebracht hatte. Wie böse sie waren und wie wahrscheinlich es war, dass sie wieder gemordet hätten. Als suchte sie Gründe, die es ihr erlaubten, mich weiter zu lieben.
    Unter anderem sagte ich ihr, ich würde nur noch den Mann von der Farm und seine beiden Söhne töten und danach nie wieder jemanden, es sei denn,
sie
würde bedroht. Die Farm dichtzumachen wäre eine Gefälligkeit gegenüber Locano, die mir den Weg aus der Organisation ebnen würde. Und gerechtfertigt wäre es, weil dadurch Leben gerettet würden.
    »Kannst du nicht einfach die Polizei rufen?«, sagte sie.
    »Nein«, sagte ich mit mehr Überzeugung, als ich empfand.
    »Dann musst du es sofort tun«, sagte Magdalena.
    Ich dachte, sie meine damit, ich solle es hinter mich bringen, damit sie mich nicht mehr mit dem Teufel zu teilen brauchte und darangehen könnte, mir zu verzeihen.
    »Damit nicht noch mehr Mädchen sterben«, sagte sie.
    Das war vielleicht das Beschämendste daran. Nicht, dass ich meinte, David Locanos »Vertrauen« nicht enttäuschen zu dürfen, indem ich die Polizei rief. Sondern, dass es mir gar nicht in den Sinn gekommen war, dass jeder weitere Tag für die Mädchen, die ich angeblich retten wollte, ein Tag in der Hölle war.
    Daraus lässt sich aber etwas lernen: Wenn Sie gefühllos sein wollen, überlegen Sie wenigstens, ob nicht jemand anders Ihr Gewissen sein kann.
    »Es muss ein Donnerstag sein«, sagte ich. »Da bekommen die Karchers ihre Lebensmittel.«
    Magdalena sah mich nur an. Der nächste Donnerstag war in vier Tagen. Nicht annähernd genug Vorbereitungszeit.
    Wieder eine gebrochene Regel. Ein Schritt im Nebel. Einer unter vielen.
    »Ich leg's auf diesen Donnerstag«, sagte ich.
     

Kapitel 15
    Zwei Schwestern, der Anästhesist und ich benutzen Squillantes Laken, um ihn von seinem fahrbaren Bett auf den feststehenden Tisch in der Mitte des OP zu heben. Er wiegt zwar nichts, aber der OP-Tisch ist so schmal, dass man ihn genau richtig darauf platzieren muss, damit er nicht runterfällt. Ihm hängen nur die Arme runter, bis ich die beiden Armstützen darunter feststelle.
    »Tut mir leid«, sagt er, als ich ihn an den Schienen festmache.
    »Halt den Rand«, sage ich durch meinen Mundschutz. Squillante ist der Einzige im Raum, der weder OP-Kleidung noch Mundschutz, noch Duschhaube trägt. Der Anästhesist schickt Squillante eine Eröffnungssalve durch einen seiner Tropfe. Einen Mix aus Schmerzmittel, Lähmungsmittel und Amnesemittel. Das Amnesemittel ist für den Fall dabei, dass das Lähmungsmittel anschlägt, das Schmerzmittel aber nicht, und Squillante die ganze Operation bewusst miterlebt, ohne sich rühren zu können. Dann wird er sich hinterher wenigstens an nichts erinnern und niemanden verklagen.
    »Ich zähle jetzt von fünf bis eins«, sagt der Anästhesist. »Bei eins werden Sie schlafen.«
    »Scheiße, bin ich vielleicht ein Baby?«, sagt Squillante.
    Zwei Sekunden später ist er weg, und der Anästhesist schiebt ihm ein Stahllaryngoskop in den Rachen, das wie ein Kranichschnabel gebogen ist. Dem folgt kurz darauf ein Beatmungsschlauch, und schon lutscht Squillante, wie die Anästhesisten sagen, »den Plastikschwanz«. Der Anästhesist prüft die Luftzufuhr, spritzt Squillante einen zäh aussehenden Kleister auf die Augäpfel und klebt ihm die Lider zu. Dann packt er Squillantes Kopf so ein, dass nur noch der Beatmungsschlauch herausschaut. Sofort sieht Squillante wie eine Übungsleiche von der Uni aus, bei der man den Kopf für die ersten Monate des Anatomieunterrichts eintütet, damit er nicht austrocknet, bevor man hinkommt.
    Ich rolle das leere Bett von Squillante auf den Gang hinaus, wo es binnen Kurzem verschwinden wird, um unter einem neuen Patienten wieder aufzutauchen, wahrscheinlich mit dem alten Bezug. Aber soll ich vielleicht ein Fahrradschloss dranhängen? Dann gehe ich wieder rein und befestige seine Arme und Beine mit Klettband am Tisch, wie in einem Horrorfilm. »Ist der Tisch elektrisch?«, frage ich. Jemand lacht. Ich finde eine Kurbel und drehe Squillantes Rücken

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