Schneller als der Tod
Mob den Tod der Karchers?«
»Darüber weiß ich nichts«, sagte ich.
Er überging das. »Sie haben gesehen, wie isoliert die Karchers waren. Wen hätten sie identifizieren können? Meinen Sie, die kannten irgendwelche höheren Chargen?«
Ich sah ihn bloß an.
»Kannten sie nicht. Sie kannten Leute, die
unter
ihnen standen. Deshalb wollte der Mob sie loswerden. Damit das Geschäft mit einem anderen Zulieferer weiterlaufen konnte.
Ich melde mich noch mal bei Ihnen. Aber wenn ich das hier tricksen wollte, würde ich sagen, denken Sie darüber mal nach und überlegen Sie sich, was Ihr Großvater dazu gesagt hätte.«
Freed hatte natürlich recht mit den Karchers. Das war mir schon hunderttausendmal durch den Kopf gegangen.
Aber in dieser Nacht schlief ich ohne meine Ohrstöpsel, um nicht darüber nachdenken zu müssen.
Über den Prozess selbst wissen Sie schon Bescheid, Sie Kind der Fox News, Sie. Nur haben Sie keine Ahnung, wie sterbenslangweilig er war, sogar für mich. Da die Bundespolizei monatelang ihre »Operation russische Puppe« laufen hatte, bevor ich ankam und ihnen die Tour vermasselte, gab es Tausende von Finanzdokumenten, die niemand, der sich eine Chance auf einen Job in der Privatwirtschaft ausrechnete, den Geschworenen vorgelegt hätte. Und die so gut wie nichts mit der italienischen Mafia zu tun hatten. Oder mit der »LCN«, wie das FBI sie nennt.
»LCN« steht für
la cosa nostra -
»unsere Sache« oder »das Unsrige«. Ich habe kein einziges Mal jemanden in der Mafia
»la cosa nostra«
sagen hören, geschweige denn »LCN«. Geschweige denn
»die
LCN«. Warum sollten sie? Das wäre, als würde eine Bande französischer Krimineller sich die LJNSQ nennen, für
»die leje ne sais quoi«.*
(Angeblich müssen FBI-Agenten heute noch »die LCN« sagen, weil J. Edgar Hoover, als er vor dem McClellan-Ausschuss erklären sollte, warum er die Existenz der Mafia so lange geleugnet hatte - obwohl er Tonbänder besaß, auf denen Sam Giancana den Spitzen des US-Senats Anweisungen erteilte -, das Ganze als ein semantisches Missverständnis abtat, als ob alle anderen den falschen Namen verwendet hätten.)
Jedenfalls schleppte sich der Prozess eine Zeit lang dahin. Dann, etwa am zehnten Verhandlungstag - sie hatten gerade die Aufzeichnung meines Initialanrufs von der Tankstelle abgespielt, und ein Gutachter hatte »mit fünfundachtzigprozentiger Sicherheit« meine Stimme ausgemacht -, brachte die Anklage den Geheimbeweis auf den Tisch, und die Sache kam ins Rollen.
Der Geheimbeweis war bekanntlich eine gehäutete, abgetrennte Hand, und der Staatsanwalt versprach nachzuweisen, dass sie einmal Tits gehört hatte.
Die Hand war ekelhaft. Man musste zugeben, dass sie für eine männliche Hand zu klein, für die Hand einer heranwachsenden Ukrainerin aber doch ein wenig zu groß war. Und man glaubte dem FBI ohne weiteres, dass sie außerhalb des Grundstücks gefunden worden war, unweit der Stelle, wo der Wagen stand, den ich, wie sie nachweisen wollten, gesteuert hatte. Und dass die Messerspuren an der Hand keinen Zweifel daran ließen, dass sie gehäutet und nicht etwa von Wieseln oder sonst was angeknabbert worden war.**
(Der medizinische Ausdruck für Enthäutung oder Hautablösung, ob beabsichtigt oder nicht, ist übrigens »Decollement«, was einmal »Enthauptung« bedeutete. Aber jeder Teil des Körpers kann »decoliiert« werden. In der Notaufnahme etwa sind in Staubsauger gesteckte Schwänze ein ewiger Favorit.)
Es war ein grauenhafter Anblick. Besonders, als das FBI sie im Gerichtssaal groß auf eine Leinwand projizierte.
Ed Louvak erhob natürlich Einspruch, aber Donovan hatte recht gehabt: Obwohl die Staatsanwaltschaft der Verteidigung belastendes Beweismaterial vorenthalten hatte, genau umgekehrt wie im Fall Brady gegen Maryland, ließ der Richter das Beweismittel zu, weil es so bizarr und publicityträchtig war. Und vermutlich auch, weil er sonst nichts hatte, was für eine Verurteilung gereicht hätte.
Der Juli 2000 war ein ziemlich idealer Zeitpunkt, um wegen Mordes vor Gericht zu stehen. Fünf Jahre zuvor hatte der Prozess gegen O. J. Simpson den Indizienbeweis in Verruf gebracht, der bis dahin die Grundlage praktisch jeder strafrechtlichen Verurteilung in der Justizgeschichte gewesen war. Unter Indizienbeweis versteht man alles außer objektiven Beweisen und den Aussagen von Augenzeugen. Wenn Sie ein Harpunengewehr kaufen und in der Kneipe verkünden, dass Sie jemanden damit erschießen
Weitere Kostenlose Bücher