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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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gleichzeitig aufstehen und sich küssen, oder sie kann ihm die Finger in den Mund stecken, bevor man beide auseinanderzerrt und sie rauswirft und ihn von einem Zahnarzt kontrollieren lässt. Denn die Drohung, dass sie nicht mehr wiederkommen darf, ist nur Geschwätz. Und die Wärter, diese armen Hunde, springen einem nur zu gern mit einer Lüge bei.
    Meine Liebe zu Magdalena wuchs mit jedem Besuch und jedem ihrer seltsamen, förmlichen Briefe.
»Im Quartett bekomme ich immer wieder zu hören, dass ich aus dem Rhythmus bin. Das bin ich, denn ich denke an Dich. Weil ich dadurch aber besser, nicht schlechter spiele, da ich viel lebendiger bin, habe ich nicht das Gefühl, sie im Stich zu lassen. Ich spiele am besten, wenn ich nach dem Herzen spiele, und mein Herz bist Du, ich liebe Dich.«
    Wenn Ihnen das vorkommt wie diese kaputten Gefängnisromanzen, wo die fettleibige Fremde dem Promi schreibt, der seine bessere Hälfte ermordet hat, kann ich es auch nicht ändern. Mir hat es das Leben gerettet und den Verstand erhalten. Ihre Besuche haben mich das Elend dieses Drecklochs jedes Mal tagelang vergessen lassen.
    Magdalena unterhielt sich mehr mit Donovan als ich. Nachdem er uns beiden getrennt vorgeschlagen hatte, wir sollten vielleicht heiraten, damit sie nicht gegen mich aussagen müsste*
(Sie hätte dennoch gezwungen werden können, zu Straftaten, die vor der Hochzeit begangen wurden, auszusagen, aber da Geschworene so etwas für unrechtmäßig halten, tun Staatsanwälte das nicht gern.)
, sagte mir Magdalena, das würde sie jederzeit tun. Sie würde alles tun.
    Ich sagte ihr, mir liege nichts daran, da ich sie richtig heiraten wolle. Worauf sie erwiderte: »Sei nicht albern. Wir sind seit dem dritten Oktober richtig verheiratet.«
    Das auszutüfteln, überlasse ich Ihnen. Ebenso gut könnte ich versuchen, die Oberfläche der Sonne zu beschreiben.
    Nicht, dass irgendjemand ernsthaft angenommen hätte, Magdalena würde als Zeugin vorgeladen. Sie hätte den Geschworenen das Herz gebrochen wie nichts.
    Sie brachte mir Bücher, aber der Lärm erschwerte die Lektüre. Dann brachte sie mir Ohrstöpsel.
    Und ohne es mir zu sagen, bewarb sie sich für eine Ausbildung zur Bundesgefängniswärterin, damit sie eine Chance hatte, in der Hölle bei mir zu sein, falls die Sache böse endete. Im Frühsommer 2000 wurde ich aus meiner Zelle geholt und in ein Büro der FMCCNR gebracht, das ich noch nie betreten hatte. Das an sich war nicht ungewöhnlich, da es alle paar Wochen einen »ersten Termin«, eine »Voruntersuchung« oder sonst was gab, um etwa abzuklären, ob ich der war, der ich zu sein behauptete oder für den das FBI mich hielt, und ob tatsächlich eine Straftat vorlag. Aber diesmal ließ der Wärter mich in dem Büro allein und stellte sich draußen vor die Tür. Das war ein unerhört komisches Gefühl, auch wenn ich Handhüft- und Fußschellen anhatte.
    Sofort suchte ich nach einem Telefon, um Magdalena anzurufen. Es war keins da. Der Holzschreibtisch war so leer wie die hölzernen Bücherregale. Der altmodische Holzstuhl hatte einen Lattenrost als Rückenlehne. Vor dem Fenster war ein Sims, und hätte ich fliehen wollen, wäre jetzt eine gute Gelegenheit dazu gewesen. Ein paar Augenblicke dachte ich daran, und ich schaute immer noch aus dem Fenster, als sich die Tür hinter mir öffnete und Sam Freed hereinkam.
    Er war damals Ende sechzig und mir mit seinem verknitterten grauen Anzug auf Anhieb sympathisch. Als ich hinter dem Schreibtisch hervorkommen wollte, hob er die Hand und sagte: »Setzen Sie sich.« Also nahm ich den Schreibtischstuhl, und er zog sich einen Stuhl von der Wand heran.
    »Ich bin Sam Freed«, sagte er. Ich hatte nie von ihm gehört.
    »Pietro Brnwa.« Er hatte etwas an sich, das einem trotz orangefarbenem Overall und Fußschellen das Gefühl gab, ein Mensch zu sein.
    »Ich arbeite fürs Justizministerium«, sagte er. »Wobei ich jetzt eigentlich pensioniert bin.«
    Das waren seine Worte. Er sagte nicht etwa: »Ich habe das Zeugenschutzprogramm WITSEC entwickelt«, obwohl das gestimmt hätte. Er sagte nicht: »Ich habe dem Mob das Rückgrat gebrochen, und die Leute, die durch mich straflos davongekommen sind, haben die geringste Rückfallquote überhaupt.«
    Natürlich sagte er auch nicht, dass er zu den meistgehassten Menschen im Strafvollzug gehörte. Zwar hatte er der Mafia einen tödlichen Schlag versetzt, aber nur um den Preis, dass er einem Haufen Dreckskerle dafür ein neues Leben

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