Schneller als der Tod
ermöglichte, und das fanden die meisten bei der Polizei und auch beim FBI unentschuldbar.
Natürlich war er Jude. Wer sonst hätte sich auf eine Art, die ihn nur zum Aussätzigen machen konnte, so sehr für die Gerechtigkeit eingesetzt? Sein Vater hatte den Fischmarkt an der Fulton Street geleitet und 40 Prozent der Einnahmen an Albert Anastasia abgeführt.
Aber wie gesagt, damals hatte ich noch nicht von ihm gehört. »Hm«, sagte ich.
Er sagte: »Baboo Marmoset hat mich auf Sie hingewiesen.«*
(»Baboo« ist ein gängiger Spitzname für das jüngste männliche Mitglied eines indischen Haushalts und natürlich nicht der wahre Vorname von Professor Marmoset. Sein richtiger Vorname ist Arjun.)
»Kenne ich nicht«, sagte ich.
»Junger Inder. Arzt. Lange Haare. Er hat Sie vor ein paar Wochen untersucht.«
»Ach so.« Jetzt erinnerte ich mich an ihn, wenn auch nur jemand aus Freeds Generation ihn als langhaarig bezeichnet hätte. Marmoset hatte während meiner Untersuchung gleichzeitig telefoniert und meine Formulare ausgefüllt. Dann hatte er gesagt: »Sie sind gesund.« Mehr war, soviel ich wusste, nicht zwischen uns gelaufen.
»Mich wundert, dass er sich an mich erinnert«, sagte ich zu Freed. »Er kam mir ein bisschen zerstreut vor.«
Freed lachte. »So wirkt er immer. Gott weiß, wozu er in der Lage wäre, wenn man seine Aufmerksamkeit bekäme. Ich erzähl Ihnen mal was.«
Freed legte die Füße auf den Schreibtisch. »Meine Frau und ich gehen gern ins Dinner-Theater«, sagte er. «Diese von Schauspielern aufgeführten Krimispiele im China-Restaurant, wo die Gäste die Lösung finden sollen. Albern eigentlich, aber so bekommen wir zu essen und die Schauspieler eben auch.
Manchmal kommt Baboo mit. Er scheint nie mit den Gedanken dabei zu sein. Meistens hat er vielmehr eine Frau dabei. Steckt den ganzen Abend die Nase zwischen ihre Brüste oder hört seine Mailbox ab. Am Ende des Abends aber, wenn man raten soll, wer der Täter war, liegt er immer richtig.«
»Echt?«
»Immer«, sagte Freed. »Jedenfalls ist er der beste Menschenkenner, den ich kenne. Und ich habe so einige kennengelernt.«
Er sagte nicht: »Wie etwa John F. und Bobby Kennedy«, obwohl er das hätte sagen können.
Er sagte: »Baboo hat Sie als interessanten Menschen< bezeichnet, >der noch zu retten ist<. Womit er wohl meinte, dass Sie nicht nur eine zweite Chance bekommen sollten, sondern auch genug verwertbare Informationen besitzen, um sich eine zu verdienen.«
Ich schüttelte den Kopf. Freed war für mich bereits jemand, den ich nicht enttäuschen wollte, und anlügen wollte ich ihn auch nicht. »Ich habe mit dem Mann doch kaum geredet. Und als Zeuge aussagen will ich nicht.«
»Okay. Das hat Zeit. Aber nicht zu lange. Drücken Sie auf die Tube. Ewig bleibt die Gelegenheit nicht.«
»Ich habe keine Lust, ins Zeugenschutzprogramm einzusteigen, wenn ich nicht muss. So weit bin ich noch nicht.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Freed. »Zeugenschutz ist nicht, wie Sie sich das vorstellen. Da nimmt man keine Identität an. Man wird der, der man von Anfang an hätte sein sollen.«
»Das ist mir etwas zu tiefgründig«, sagte ich.
»Das glaube ich aber ganz und gar nicht«, sagte er. »Denken Sie mal darüber nach, was Ihr Großvater gewollt hätte.«
»Mein
Großvater?«
»Entschuldigen Sie, dass ich persönlich werde. Aber ich glaube, ich weiß, wie er zu Ihnen stand und was er davon halten würde, dass Sie hier sind, und ich glaube, Sie wissen es auch.«
»Machen Sie das mit allen potenziellen Zeugen?«, sagte ich. »Keineswegs«, sagte er. »Baboo Marmoset meint aber, Sie halten das aus.«
»Er kennt mich doch gar nicht!«
Freed zuckte die Achseln. »Der Mann kann's. Er kennt Sie wahrscheinlich besser als Sie selbst.«
»Wozu allerdings nicht viel gehört«, sagte ich.
»Natürlich nicht, harter Mann«, sagte Freed. Er schwang die Beine vom Schreibtisch und stand auf. »Sie wissen aber wohl, was dieser Mob-Zinnober wert ist. Er beschert Ihnen ein paar Oberkellner, die Ihnen in den Hintern kriechen, weil sie dafür bezahlt werden und vor Ihnen Angst haben, und nimmt Ihnen alles andere. Einschließlich Ihrer reizenden kleinen Freundin.«
Wenn
er
das sagte, störte es mich irgendwie nicht. Aber ich war kein Dummkopf.
»Sie tricksen«, sagte ich.
»Das sagt der Richtige«, erwiderte er. Er öffnete die Tür, drehte sich aber um, bevor er hinausging. »Wenn ich das mit Ihnen
tricksen
wollte, würde ich sagen: Warum wollte der
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