Schneller als der Tod
gehören.«
»Ob Ihnen das klar ist?«
»Ja.«
»Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen das Angebot noch mal zu verschaffen, wenn sich die Aufregung gelegt hat«, sagte er. »Aber jetzt geht's erst mal rund - dagegen ist nichts zu machen. Denken Sie nur daran, dass die Leute wieder zur Vernunft kommen werden. Wenn Sie gegen David Locano aussagen, ist das dem Justizministerium immer etwas wert. Haben Sie verstanden?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Morgen früh wissen Sie's, glauben Sie mir. Denken Sie also heute Nacht über das nach, was ich gesagt habe - ob Sie einen Handel eingehen möchten, wenn ich Ihnen einen anbieten kann. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich Ihre Freundin anrufen und ihr meine Nummer geben. Darf ich?«
»Na ja, schon, aber...«
»Morgen früh begreifen Sie das alles«, sagte er. »Und wenn es so weit ist, benutzen Sie um Himmels willen Ihren Verstand.«
Um acht am nächsten Morgen wies der Richter alle von Staat und Bund gegen mich erhobenen Klagen mit der Begründung ab, dass die Hand doch
Brady gegen Maryland
entsprechend hätte offengelegt werden müssen. Sechs Stunden später durfte ich die Arrestzelle verlassen. Donovan holte mich ab, ging mit mir essen und erzählte mir, was zum Teufel passiert war.
Meine Verteidigung hatte mit der Hand einen DNA-Test machen lassen. Sie nahm an, dass die Öffentlichkeit seit O. J. Simpson in dieser Hinsicht dazugelernt hatte, und schaden konnte es nichts. Als die Ergebnisse kamen, hatten sie die Hand von einem Radiologen untersuchen lassen. Dann von einem Doktor der Anatomie und schließlich von einem Zoologen.
Die Hand war keine Hand. Es war eine Tatze. Von einem Bären. Einem
männlichen
Bären. Und damit war alles vorbei.
Am selben Nachmittag wollte die Staatsanwaltschaft die Akte sperren lassen. Es war zwecklos. Die Schlagzeilen jagten sich schon:
»FREI DURCH BÄRENKLAUSEL« - »TATZACHENBEWEIS ADE« - »SCHLAPPE FÜR DIE TATZANWALTSCHAFT.« Die Jungs hatten keine Chance.
Und das war ungerecht. Alle ließen sich darüber aus, was für ein unglaublicher Patzer das war und wie dumm man wohl sein musste, um eine Bärentatze für eine menschliche Hand zu halten. Aber ich war dort im Gerichtssaal gewesen und viele andere Leute auch. Und nicht einer von uns hatte irgendwelche Zweifel gehegt. Wenigstens auf Fotos war es unmöglich zu erkennen.
Selbst als ich dann Medizin studierte, verblüffte mich noch die Ähnlichkeit - besonders, wenn man die Klauen entfernt, wie es beim Bärenhäuten üblicherweise geschieht. Bären sind die einzigen Nichtprimaten, die auf den Hinterbeinen laufen können. Gehäutet sehen sie Menschen so ähnlich, dass die Inuit, die Tlingit und die Odjibwa glaubten, Bären könnten sich durch Ablegen ihres Pelzes in Menschen
verwandeln.
Und die Inuit, Tlingit und Odjibwa haben wesentlich mehr Bären zerlegt als irgendein Schluckspecht beim FBI. Oder gar der
New York Post.
Egal.
So, Kinder, kam die Bärentatze zu ihrem Namen.
Kapitel 19
Ich stehe vor dem verhängten Bett neben dem von Squillante im Aufwachraum und drehe die leeren Kaliumfläschchen in der Hand. Ich sollte Patientenvisite machen und zusehen, dass ich aus dem Krankenhaus verschwinde. Oder meine Patienten vergessen und gleich machen, dass ich rauskomme.
Auf keinen Fall sollte ich hier rumstehen und überlegen, wer Squillante umgebracht hat. Ich meine, wen kümmert's, und was spielt das für eine Rolle? Ist noch ein Killer im Krankenhaus, der gleich einen Anruf bekommt:
»Sekunde. Wenn Sie schon da sind, könnten Sie dann schnell noch die Bärentatze umlegen?«
Eher nicht. Wahrscheinlich habe ich rund anderthalb Stunden.
Aber noch nie hat mir jemand einen Patienten abgemurkst, und ich komme nicht darüber weg. Es macht mich auf ganz neue Art sauer.
Ich gebe mir hundert Sekunden Zeit zum Nachdenken.
Natürlich könnte es jemand aus Squillantes Familie gewesen sein. Jemand, der hoffte, dass Squillante bei der OP sterben würde, damit man einen großen Kunstfehlerprozess aufziehen könnte, und der die Sache beherzt in die Hand nahm, als Squillante durchkam. Also ein Versicherungsbegünstigter.*
(Man erlebt das immer wieder - nicht, dass Menschen tatsächlich ihre Angehörigen umbringen, aber dass sie bitter enttäuscht sind, wenn ihre Angehörigen durchkommen. Das sieht dann meist so aus, die lebenserhaltenden Maßnahmen für die Mutter einzustellen, selbst wenn die Operation bestens verlaufen ist und Mama schon
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