Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
die Budgetreserve abschätzen, die sie in Erwartung von Überschreitungen brauchen, obwohl solche Vorsichtsmaßnahmen oftmals zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden. So äußerte ein Beamter gegenüber Flyvberg: »Eine Budgetreserve ist für Auftragnehmer das, was rotes Fleisch für Löwen ist: Sie verschlingen sie.«
Organisationen sind mit der Herausforderung konfrontiert, die Neigung ihrer Führungskräfte in Schach zu halten, im Konkurrenzkampf um Ressourcen übermäßig optimistische Pläne vorzulegen. Eine gut geführte Organisation belohnt Planer für eine präzise Ausführung und bestraft sie, wenn sie vorhersehbare Schwierigkeiten nicht vorhersehen und wenn sie nicht vorhersehbare Schwierigkeiten nicht einkalkulieren – die unbekannten Unbekannten.
Entscheidungen und Irrtümer
Dieser Freitagnachmittag liegt jetzt über dreißig Jahre zurück. Ich habe oft darüber nachgedacht, und ich habe ihn in meinen Vorlesungen mehrmals jährlich erwähnt. Einige meiner Freunde wurden dieser Geschichte überdrüssig, aber ich habe immer wieder neue Lektionen daraus gelernt. Fast 15 Jahre nachdem ich zum ersten Mal gemeinsam mit Amos über den Planungsfehlschluss publiziert hatte, kehrte ich mit Dan Lovallo zu dem Thema zurück. Zusammen erarbeiteten wir die Grundzüge einer Theorie der Entscheidungsfindung, in der die Optimismus-Verzerrung eine wichtige Ursache der Risikobereitschaft darstellt. Im rationalen Standardmodell der Volkswirtschaftslehre gehen Menschen deshalb Risiken ein, weil die Chancen günstig sind – sie nehmen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen kostspieligen Fehlschlag in Kauf, weil die Erfolgswahrscheinlichkeit hinlänglich hoch ist. Wir schlugen ein alternatives Modell vor.
Bei der Prognose von Ergebnissen risikoreicher Projekte fallen Führungskräfte allzu leicht dem Planungsfehlschluss zum Opfer. Unter seinem Einfluss treffen sie Entscheidungen, die auf irrationalem Optimismus statt auf einer rationalen Abwägung von Gewinnen, Verlusten und Wahrscheinlichkeiten basieren. Sie überschätzen den Nutzen und unterschätzen die Kosten. Sie denken sich Erfolgsszenarien aus, während sie das Potenzial für Fehler und Fehlberechnungen übersehen. Aus diesem Grund verfolgen sie Projekte, bei denen es eher unwahrscheinlich ist, dass sie sich innerhalb des Kosten- oder Zeitrahmens bewegen oder die erwarteten Erträge abwerfen werden – oder auch nur zur Vollendung kommen.
Nach dieser Sichtweise lassen sich Menschen oft (aber nicht immer) auf riskante Projekte ein, weil sie deren Erfolgsaussichten allzu optimistisch einschätzen. Ich werde im weiteren Verlauf dieses Buches noch einige Male auf diese Idee zurückkommen – sie erklärt vermutlich mit, weshalb Menschen prozessieren, weshalb sie Kriege anzetteln und kleine Firmen gründen.
Einen Test nicht bestehen
Viele Jahre lang glaubte ich, der entscheidende Punkt der Curriculum-Geschichte sei das, was ich über meinen Freund Seymour gelernt hatte – dass sich seine Einschätzung der Zukunft unseres Projekts nicht auf das stützte, was er
über ähnliche Projekte wusste. In meiner Version der Geschichte, in der ich die Rolle des klugen Fragenstellers und des scharfsinnigen Psychologen spielte, kam ich ziemlich gut weg. Erst vor Kurzem wurde mir klar, dass ich in Wirklichkeit die Rollen des obersten Dummkopfs und des unfähigen Anführers gespielt hatte.
Das Projekt ging auf meine Initiative zurück, und aus diesem Grund oblag es mir, dafür zu sorgen, es zu aussagekräftigen Ergebnissen zu führen und wichtige Probleme vom Team sachgerecht diskutieren zu lassen. Aber ich habe diesen Test nicht bestanden. Mein Problem war nicht länger der Planungsfehlschluss. Sobald ich Seymours Zusammenfassung der statistischen Daten hörte, war ich von diesem Fehlschluss geheilt. Hätte man mich bedrängt, hätte ich gesagt, dass unsere früheren Schätzungen in geradezu absurder Weise optimistisch gewesen seien. Hätte man mich noch stärker bedrängt, dann hätte ich eingeräumt, dass wir das Projekt auf der Basis falscher Prämissen begonnen hatten und dass wir die Option, uns geschlagen zu geben und nach Hause zu gehen, wenigstens in Erwägung ziehen sollten. Aber niemand bedrängte mich, und es gab keine Diskussion; wir kamen stillschweigend überein, ohne explizite Prognose über die Dauer des Projekts weiterzumachen. Dies war einfach, weil wir am Anfang keine derartige Prognose erstellt hatten. Hätten wir schon zu Beginn eine
Weitere Kostenlose Bücher