Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
den Input sein sollte und dass daher der Wert der Ergebnis-Variable genauso extrem sein sollte wie der Wert der Eingabe-Variable.
Wird die Tragweite des Phänomens der Regression verkannt, kann dies weitreichende negative Folgen haben, wie die folgende Beobachtung verdeutlicht. 13 In einer Diskussion über Flugtraining wiesen erfahrene Fluglehrer darauf hin, dass auf das Lob für eine außergewöhnlich sanfte Landung typischerweise eine schlechtere Landung beim nächsten Versuch folgt, während auf scharfe Kritik nach einer holprigen Landung für gewöhnlich eine Verbesserung beim nächsten Versuch folgt. Die Fluglehrer gelangten zu dem Schluss, dass – im Gegensatz zur herrschenden psychologischen Lehrmeinung – verbales Lob dem Lernen abträglich sei, während verbaler Tadel dem Lernen förderlich sei. Weil auch hier die Regression zum Mittelwert am Werk ist, ist diese Schlussfolgerung
nicht gerechtfertigt. Wie in anderen Fällen wiederholter Überprüfung wird auf eine schlechte Leistung in der Regel eine Verbesserung folgen, während auf eine hervorragende Leistung für gewöhnlich eine Verschlechterung folgen wird, auch wenn der Ausbilder nicht auf die Leistung des Auszubildenden beim ersten Versuch reagiert. Weil die Ausbilder ihre Schüler nach guten Landungen lobten und nach schlechten Landungen tadelten, gelangten sie zu der irrigen und potenziell schädlichen Schlussfolgerung, Tadel sei wirkungsvoller als Lob.
Mangelndes Verständnis für den Regressionseffekt veranlasst einen dazu, die Effektivität von Bestrafungen zu überschätzen und die Effektivität von Belohnungen zu unterschätzen. In sozialen Interaktionen und bei Schulungen werden gute Leistungen typischerweise belohnt, während schlechte Leistungen in der Regel bestraft werden. Allein regressionsbedingt wird sich das Verhalten daher mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einer Bestrafung verbessern und nach einer Belohnung verschlechtern. Folglich ist die Conditio humana so beschaffen, dass man allein aufgrund des Zufalls meistens dafür belohnt wird, dass man andere bestraft, und meistens dafür bestraft, dass man sie belohnt. Die Menschen sind sich dieser Kontingenz im Allgemeinen nicht bewusst. Tatsächlich scheint der schwer fassbare Einfluss der Regression auf die scheinbaren Folgen von Belohnung und Bestrafung der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf diesem Gebiet entgangen zu sein.
Verfügbarkeit
Es gibt Situationen, in denen Menschen die Häufigkeit einer Klasse oder die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nach der Leichtigkeit beurteilen, mit der ihnen Beispiele oder Fälle einfallen. So mag man zum Beispiel das Herzinfarktrisiko bei Menschen mittleren Alters danach beurteilen, an wie viele entsprechende Fälle in seinem Bekanntenkreis man sich erinnert. In ähnlicher Weise mag man die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Geschäftsprojekt scheitert, dadurch beurteilen, dass man sich die verschiedenen Schwierigkeiten ausmalt, auf die es stoßen könnte. Diese Urteilsheuristik wird »Verfügbarkeit« genannt. Die Verfügbarkeit liefert einen nützlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit, weil Beispielfälle aus großen Klassen in der Regel besser und schneller abgerufen werden als Beispiele aus weniger häufigen Klassen. Doch wird die Verfügbarkeit von anderen Faktoren
als der Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit beeinflusst. Folglich führt die Orientierung an der Verfügbarkeit zu vorhersagbaren Verzerrungen, von denen einige nachfolgend veranschaulicht werden.
Verzerrungen, die auf die Abrufbarkeit von Beispielen zurückzuführen sind. Wenn die Größe einer Klasse nach der Verfügbarkeit ihrer Beispielfälle beurteilt wird, erscheint eine Klasse, deren Beispielfälle sich leicht abrufen lassen, größer als eine Klasse gleicher Häufigkeit, deren Beispiele nicht so leicht abrufbar sind. Bei einer einfachen Demonstration dieses Effekts hörten Testpersonen eine Liste bekannter Persönlichkeiten beider Geschlechter, und sie sollten anschließend einschätzen, ob die Liste mehr Namen von Männern als von Frauen enthielt. Verschiedenen Probandengruppen wurden verschiedene Listen dargeboten. Auf einigen der Listen waren die Männer vergleichsweise berühmter als die Frauen, während auf anderen die Frauen vergleichsweise berühmter waren als die Männer. Bei jeder der Listen urteilten die Versuchspersonen fälschlicherweise, dass die Klasse (Geschlecht) mit mehr berühmten
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