Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
von dem Experimentalökonomen John List in einem realen Markt für Baseball-Eintrittskarten bestätigt. Er versteigerte Sätze von jeweils zehn hochwertigen Karten und identische Sätze, zu denen drei geringwertige Karten dazukamen. Wie in dem Service-Experiment wurden die größeren Kartensätze bei der gemeinsamen Bewertung höher bewertet als die kleineren Sätze. Bei der Einzelbewertung dagegen wurden sie niedriger bewertet. Aus wirtschaftstheoretischer Perspektive ist dies ein verstörendes Ergebnis: Der ökonomische Wert eines Geschirrservice oder einer Sammlung Baseball-Eintrittskarten ist eine summenähnliche Variable. Wenn man ein positiv bewertetes Element zu der Summe addiert, nimmt deren Wert zwangsläufig zu.
Das Linda-Problem und das Service-Problem haben genau die gleiche Struktur. Die Wahrscheinlichkeit ist, wie der ökonomische Wert, eine summenähnliche Variable, wie dieses Beispiel veranschaulicht:
Wahrscheinlichkeit (Linda ist eine Bankkassiererin)
= Wahrscheinlichkeit (Linda ist eine feministische Bankkassiererin)
+ Wahrscheinlichkeit (Linda ist eine nicht feministische Bankkassiererin)
Dies ist auch der Grund dafür, dass Einzelbeurteilungen des Linda-Problems ein »Weniger-ist-mehr-Muster« erzeugen, wie es in Hsees Geschirrservice-Studie der Fall war. System 1 mittelt, statt zu addieren, sodass die subjektive
Wahrscheinlichkeit zunimmt, wenn die nicht feministischen Bankkassiererinnen aus der Menge entfernt werden. Doch die summenähnliche Natur der Variablen ist für Wahrscheinlichkeiten weniger offensichtlich als für Geld. Infolgedessen beseitigt die gemeinsame Bewertung den Fehler nur in Hsees Experiment, nicht im Linda-Experiment.
Linda war nicht der einzige Verknüpfungsfehler, der die gemeinsame Bewertung überlebte. Bei vielen anderen Urteilen fanden wir ähnliche Verstöße gegen die Logik. Die Probanden in einer dieser Studien sollten vier mögliche Ergebnisse des nächsten Wimbledon-Turniers nach ihrer Wahrscheinlichkeit einstufen. Zur damaligen Zeit war Björn Borg der erfolgreichste Tennisspieler. Dies waren die Ergebnisse:
Borg gewinnt das Spiel.
Borg verliert den ersten Satz.
Borg verliert den ersten Satz, aber gewinnt das Spiel.
Borg gewinnt den ersten Satz, aber verliert das Spiel.
Die kritischen Aussagen sind B und C. B ist das umfassendere Ereignis, und seine Wahrscheinlichkeit muss höher sein als die eines Ereignisses, das in ihm enthalten ist. Im Widerspruch zur Logik, aber nicht zur Repräsentativität oder Plausibilität schrieben 72 Prozent B eine niedrigere Wahrscheinlichkeit zu als C – ein weiterer Fall, wo bei einem direkten Vergleich weniger mehr ist. Auch hier war das Szenario, das als wahrscheinlicher beurteilt wurde, fraglos plausibler, und es passte besser zu all dem, was man über den besten Tennisspieler der Welt wusste.
Um dem möglichen Einwand zu begegnen, der Konjunktionsfehlschluss sei auf eine Fehlinterpretation des Wortes »Wahrscheinlichkeit« zurückzuführen, konstruierten wir ein Problem, das Wahrscheinlichkeitsurteile erforderte, bei denen die Ereignisse jedoch nicht mit Wörtern beschrieben wurden, und in dem der Ausdruck »Wahrscheinlichkeit« nicht auftauchte. Wir erzählten den Probanden von einem sechsseitigen Standardwürfel mit vier grünen und zwei roten Seiten, der zwanzigmal geworfen werden sollte. Wir zeigten ihnen drei Folgen von Grün (G) und Rot (R) und forderten sie auf, eine davon auszuwählen. Sie würden (hypothetisch) 25 Dollar gewinnen, wenn die von ihnen gewählte Folge gewürfelt würde. Die Folgen waren:
RGRRR
GRGRRR
GRRRRR
Da der Würfel doppelt so viele grüne wie rote Seiten hat, ist die erste Folge eher nicht repräsentativ – wie die Aussage, Linda sei eine Bankkassiererin. Die zweite Folge mit sechs Würfen passt besser zu dem, was wir von diesem Würfel erwarten würden, weil sie zweimal G enthält. Allerdings wurde diese Folge durch Anfügung eines G an den Anfang der ersten Folge generiert, sodass sie nur unwahrscheinlicher sein kann als die erste. Dies ist die nonverbale Entsprechung zu der Aussage, dass Linda eine feministische Bankkassiererin ist. Wie in der Linda-Studie war die Repräsentativität maßgeblich. Fast zwei Drittel der Probanden wetteten auf Folge 2 statt auf Folge 1. Doch als man ihnen Argumente für die beiden Optionen vorlegte, fand eine große Mehrheit das richtige Argument (das Folge 1 begünstigt) überzeugender.
Das nächste Problem war ein Durchbruch, weil wir endlich eine
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